🇷🇺 Wladikawkas und die herzerwärmenden Menschen in Russlands gefährlichem Süden


Tagebuch Eintrag

Unser Plan war es ursprünglich gewesen, mit unserem alten sowjetischen Kampfreisebus „UAZ“ aus russischer Produktion von Deutschland nach Russland zu fahren. Leider ist das solide Auto gleich nach 73 Kilometern zusammengebrochen. Spontan entschlossen wir, unser Russlandvisum trotzdem zu nutzen und nach Sankt Petersburg zu fliegen. Von dort geht es jetzt mit dem Flugzeug in eine ganz andere Ecke Russlands gehen. Und zwar an die Grenze zum Kaukasus in eine touristisch unerschlossene Stadt namens Wladikawkas.

Von dieser Stadt aus wollen wir zu einer Reise durch den Kaukasus, inklusive Georgien und Armenien, aufbrechen. Warum es nur wenige Touristen hierher verschlägt entnehmen wir dem Reisehinweis unserer Regierung entnehmen:

Geht! Da! Nicht! Hin!


Reisewarnung!

Nordkaukasus:
Dagestan, Inguschetien, Nordossetien und Tschetschenien: Die persönliche Sicherheit von ausländischen Reisenden kann in diesen Regionen weder von den Zentralbehörden der Russischen Föderation noch von den lokalen Sicherheitsorganen gewährleistet werden. Die Interventionsmöglichkeiten der Behörden sind auch bei häuslicher Gewalt sehr beschränkt (z.B. Kindsentführungen durch einen Elternteil, Zwangsheirat oder Zwangseinlieferung in eine psychiatrische Klinik). Die Gefahr von Lösegeld-Entführungen besteht auch für Ausländer – ebenso das Risiko, in Terroranschläge oder Aufstände militanter Gruppen zu geraten. Zum Beispiel sind bei einem Anschlag in der Altstadt von Derbent im Dagestan am 30. Dezember 2015 eine Person getötet und elf verletzt worden.

Von Reisen in die Republiken Dagestan, Inguschetien, Nordossetien und Tschetschenien wird abgeraten.“

Auswärtiges Amt, Stand 2017

Auch uns wäre diese Stadt nie für einen Besuch in den Sinn gekommen, wenn Uli hier nicht Freunde hätte. Vor drei Jahren kam er mit einem Freund auf Motorrädern durch diese Stadt, als seine Maschine den Geist aufgab. Zufällig hielt ein Autofahrer an und sprach die beiden auf Russisch an – ohne Erfolg. Er tippte auf seinem Handy, wählte und hielt das Gerät Uli hin. Am anderen Ende fand sich die Schwester des Fahrers namens Aleksandra, die zuerst auf Englisch, dann auf Deutsch fragen konnte, wo das Problem der beiden war.

Sie übersetzte wiederum ihrem Bruder Alan. Der meinte, dass er sowieso nicht besseres zu tun hatte, und nahm die beiden in die nächste Werkstatt mit. Nach der offiziellen Todesbestätigung des Motorrads lud er die beiden für die folgende Woche zu sich ein. Uli und sein Freund Stefan mussten ein Ersatzfahrzeug finden und kauften ein Auto mit genug Platz für die beiden Maschinen. Dabei halfen Alan und seine Familie und boten ihnen zusätzlich Essen und Unterkunft.

Uli erfuhr hier schon in der Vergangenheit wahre Gastfreundschaft


Nun treffen wir Ulis Freunde wieder. Wir werden voller Freude am Flughafen von Alan und Aleksandra empfangen und unsere hungrigen Bäuche in einem Lokal mit ordentlich Schaschlik und fremdartiger Pizza gefüllt. Dazu gibt es keinen Wodka, sondern eine grüne Waldmeisterlimonade, die wir die nächsten Tage noch häufiger sehen werden.

Zwar kann nur Aleksandra übersetzen und Uli ein paar Brocken auf Russisch sagen, doch wir können wir uns immer verständigen. Mit dabei waren Alans Frau Angela und ihr gemeinsamer kleiner Sohn Tamilan.



Unsere Gastgeber bringen uns in eine andere Wohnung, als ihre eigene. Wir bekommen eine ganze Wohnung nur für uns mit Küche, Bad und Internet. Die alte Mamuschka, der die Wohnung zu gehören schien, betonte nur, dass wir auch bitte ganz leise sein mögen, da es viele Arbeiter im Haus gab, die früh aufstehen mussten.

Wahnsinn! Dabei haben wir Alan erst vor wenigen Tagen geschrieben, dass wir sie besuchen kommen. Die Familie verabschiedet sich herzlich und wird uns am nächsten Morgen wieder abholen. Wir wollen einen Ausflug in die Berge machen. Ich verbringe die Nacht damit, 55 Briefmarken auf meine 11 Postkarten zu kleben.

Wir bekommen sogar eine eigene Wohnung!



Abends machen wir einen Spaziergang mit Alexandra ins Zentrum Wladikawkas. Wieder bestätigen sich die Klischees über russische Mode. Wie die meisten Frauen hat sich auch Aleksandra für eine stilvolle Erscheinung unglaublich ins Zeug gelegt. Was man von den Männern nicht sagen kann. Wir sind gerne die Ausnahme und möchten einen besseren Eindruck machen. Neben den typischen Outdoor-Klamotten habe ich sogar ein Jackett dabei. Wir trinken Kvass, das malzige Bier Russlands, und Tee, wandern durch Wladikawkas und seine Parks im Schein der Nacht.

Alan ruft zwischendurch an und ist besorgt. Ihm ist es gar nicht recht, dass wir nachts durch die Stadt wandern. Auch Aleksandra sagt, es wäre nicht direkt sicher.

Immerhin ist es sauber, wir sehen kein Müll. Doch abgesehen von einer kleinen Schlägerei unter Jugendlichen fällt uns nichts Besorgniserregendes auf.



Morgens haben Uli und ich noch etwas Zeit und machen vor dem Frühstück bei heißen, sommerlichen Temperaturen einen Spaziergang zu einer orthodoxen Kirche. Da Sonntag ist findet dort auch gerade Gottesdienst statt.

Am Eingang gibt es für die Frauen Kopftücher. Sie müssen ihren Kopf innerhalb des Gebäudes bedecken.



Das Abenteuer Kaukasus beginnt. Mit Alan besuchen wir die Berge und erhaschen einen Blick auf den höchsten Berg Russlands, vielleicht sogar Europas: den Elbrus.

Außerdem sehen wir eine alte Totenstadt der Narten. Bei diesem Volk wurden die Verstorbenen in offenen Totenhäuschen bestattet und die Gebeine liegen dort noch immer.



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