Tagebuch Eintrag
Ich habe im Kopf die kühne Idee die alte Straße „Yungas Road“ nach La Paz zu nehmen, die auch „Death Road“ genannt wird, weil es dort so oft zu Unfällen und Todesopfern gekommen ist. Vor wenigen Jahren wurde jedoch eine fest ausgebaute Straße drumherum gebaut, sodass auf der alten Straße kaum noch Verkehr ist. Diese ist jedoch sehr schmal, steil und nach wie vor anspruchsvoll. Erdrutsche können nach wie vor passieren und im Nebel reicht ein Fehler, um in die Tiefe zu stürzen; daher will ich die Strecke nur fahren, wenn das Wetter gut ist.
Die Nacht in Yolosa ist ruhig und wir werden nicht gestört nach unserem Anstieg in die Anden. Ich habe erwartet, dass es kalt wird in der Höhe von 900 Metern, aber es ist angenehm.
Eine weitere Überraschung ist, dass keine einzige Wolke am Himmel hängt. Also vorerst weder Regen noch Gewitter. Damit ist klar: wir wagen uns auf die Straße des Todes. Wir frühstücken, ich überprüfe noch einmal den Wagen und kaufe Wasser und Brot. Dann kann es losgehen, im strahlenden Sonnenschein.
WIR HABEN DIE DEATH ROAD VOR UNS UND GEWITTER SIND VORAUSGESAGT
AUF DER „DEATH ROAD“ GAB ES FRÜHER AN DIE DREIHUNDERT TOTE – IM JAHR!
Schon zu Beginn der Strecke ist es steil, aber es gibt keinen Verkehr und wir haben schöne Weitsicht. Die Straße ist breit genug… Oh, da kommen doch Abschnitte, die etwas haarig sind. Ich wurde gewarnt, dass heutzutage die größte Gefahr neben Regen, Nebel und Gerölllawinen die Radfahrer sind. Aus der Straße des Todes hat man eine Touristenattraktion gemacht und man karrt Horden von Touristen morgens im Minibus zur Spitze der Strecke und lässt sie auf dem Mountainbike hinuntersausen.
Natürlich lässt man sich im Voraus bezahlen, man weiß ja nicht, wer zurückkommt. Für die Radfahrer geht es steil nach unten, sowohl nach vorne, als auch nach links. Denn auf der Strecke gilt eine besondere Regel: Linksverkehr! Das bedeutet für mich den Vorteil nicht nur in einer Blechkiste geschützt zu sein, sondern auch entlang der Bergwand fahren zu können, während der Gegenverkehr in die Luft ausweichen muss.
Überraschung: auf der Death Road herrscht Linksverkehr!
Die Strecke ist nicht tot. Nach wie vor ist es eine normale Straße, an der es auch Häuser und Höfe gibt. Nur für Touristen gibt es eine „Sonderpauschale„, von der die Strecke instand gehalten und die Rettung von zu wagemutigen Abenteurern finanziert werden soll. Auf der Mitte der Strecke blockiert eine Kette den Weg und ein junger Mann erklärt mir umfangreich den Nutzen einer finanziellen Abgabe an dieser Stelle. Er will pro Person 25 Bolivianos. Ich habe aber vorher gelesen, dass es nur pro Fahrzeug gilt und sage dem Mann, dass ich nur einmal zahle.
Er versucht es nochmal und schwenkt dann um, dass „Gruppen“ und „Familien“ Sonderpreise hätten… also nur einmal zahlen müssen. Er zählt nochmal auf, was für Vorteile wir durch die Zahlung erhalten, Versicherung, Krankentransport, Kaffee.. Kaffee?? Ich will einen Kaffee, sofort. Sara ist sichtlich verwundert, als ich zuerst im Haus des Typen verschwinde, der versucht uns übers Ohr zu hauen, und mit einer Tasse Kaffee wieder hinauskomme und mit dem Typen und einem anderen, der dazu gekommen ist und eigentlich irgendetwas verkaufen wollte, Selfies mache.
Es geht weiter und die Wände und Abhänge werden steiler. Sogar ein Wasserfall ergießt sich an einer Stelle über uns. Viele Kreuze markieren die Piste und manche sind noch nicht alt. Der Kassierer von vorher erzählte mir, dass es erst vor zwei Wochen einen Unfall zwischen Radfahrern und einem Auto gab.
Ich hupe vor jeder Kurve, wie ich es auch von anderen schwierigen Strecken in anderen Ländern gemacht habe.
Unterwegs sehen wir eine Station, an der eine Zipline im Bau ist. Die Straße wird zunehmend touristisch ausgebaut.
Ich hupe zur Warnung vor jeder Kurve
Und dann kommen wirklich die Horden Radfahrer. Glücklicherweise sind wir schon so gut wie am Ende der Death Road angekommen. Wir erreichen einen Platz mit ein paar Häusern, wo eine alte Cholita Essen, Trinken und Toiletten anbietet.
Wir machen Rast und Sara kocht für Leon und uns das Mittagessen, während weitere Busse mit Touristen und Mountainbikes ankommen.
Während ich Leon draußen bespaße lerne ich den Briten Tony kennen, der gerade aus seinem Zelt auf der Aussichtsplattform krabbelt. Er ist mit dem Fahrrad unterwegs und hat die Abfahrt noch vor sich. Tony erzählt, dass er bereits seit elf Jahren unterwegs ist und zuerst mit dem Motorrad startete, das aber verkaufen musste, als ihm das Geld ausging. Dann hat er im wahrsten Sinne des Wortes auf das Fahrrad umgesattelt.
Er ist so alt wie ich und hat spannende Geschichten zu erzählen, aber das Wetter wird schlechter und Wolken ziehen sich zu. Wir verabschieden uns von Tony und machen uns auf den letzten kurzen Abschnitt über einen Pass nach La Paz. Es ist nicht mehr weit. Was soll schon schief gehen?