Tagebuch Eintrag
Der Verkehr in der Stadt Medellín ist nicht so schlimm, wie ich befürchtet habe, als wir aus der Region Cauca wieder in die Zivilisation gelangten. Ich muss nur aufpassen, dass man nicht aus Versehen einen der unzähligen Motorradfahrer um sich herum umnietet.
Ich habe einen kommerziellen, gesicherten Parkplatz unweit des nationalen Flughafens Olya Herrera gefunden. Dort stellen wir den Wagen ab und packen unsere Sachen. Wir bleiben nur einen Tag in Medellín, dann fliegen wir mit einer kleinen Propellermaschine vom lokalen Flughafen Medellín an die Küste des Pazifik von Bahía Solano. Dabei überqueren wir das Gebiet von Utria, einem riesigen Dschungel ohne Straßen, dafür mit vielen Flüssen und vereinzelten Dörfern der indigenen Embara, von denen wir eines besuchen werden.
Der Ort liegt an der Pazifikküste Kolumbiens und keine Straße führt dorthin, den der gewaltige Dschungel von Utria liegt dazwischen.
Zwei Nächte verbringen wir in einer Unterkunft nahe des nationalen Flughafen Medellíns. Dort lernen wir Larry und Kiara kennen, mit denen Uwe und ich einige Bier trinken und kolumbianisch-teutonischen Kulturaustausch betreiben. Nach Uwes Abreise treffe ich Larry nochmal abends in der Stadt, wir trinken ein paar Bier, knabbern getrocknete Riesenameisen und sehen einige von Larrys Lieblingsorten.
Die beste Art einen Ort kennenzulernen ist seine Menschen kennenzulernen.
Bei unserer Rückkehr besichtigen wir nun auch endlich Medellín, das wir bisher so verächtlich vernachlässigt haben. „Die Stadt des ewigen Frühlings„ soll Medellín sein und das Wetter ist tatsächlich sehr angenehm.
Im Parque Cerro Nutibara Pueblito Paisa findet sich der Nachbau eines prototypischen kolumbianischen Dorfes. Spanischer Kolonialstil und knallbunt. Pueblito Paisa ist ein eigenes traditionelles Dorf innerhalb der Stadt, das auf einem Hügel im Stadtteil Belén liegt. Es wurde als Rekonstruktion eines typischen Dorfes der Paisa-Region konzipiert und bietet uns einen Einblick in die Kultur und Traditionen der Region.
Das Dorf ist in seiner Architektur und seinen Einrichtungen sehr gut erhalten und bietet eine breite Palette von Aktivitäten, darunter Kunsthandwerk, lokale Küche und kulturelle Veranstaltungen. Im Herzen des Dorfes befindet sich eine kleine Kirche, die im typischen Kolonialstil erbaut wurde. Die Aussicht vom Hügel bietet uns einen tollen Panoramablick auf die Stadt.
Wir können sogar eine Fotoaufnahme wie vor 40 Jahren machen… Moment, damit hat man hier in den 1980ern fotografiert? Die Ausrüstung erinnert eher an das 19. Jahrhundert. Mit Uwe und Leon machen wir ein schönes Foto.
Es ist schön, Kultur und Tradition auf diese Weise zu bewahren … aber es fühlt sich falsch an, wie Disney-Land
Am Plaza de los Gordos gibt es sehr dicke Skulpturen aus Bronze von Fernando Botero zu bestaunen. Zwischen dem Museo de Antioquia und dem Palacio de las Culturas sind eine riesige Anzahl runder Bronzen in Form von nackten dicken Frauen, Männern und Tieren ausgestellt. Der Plaza de los Gordos ist ein historischer Platz im Herzen des Stadtteils La Candelaria befindet.
Der Platz ist bekannt für seine berühmten „Gordos“ – Statuen, die im Jahr 2005 aufgestellt wurden und als Hommage an die üppige kolumbianische Küche und die Menschen, die sie genießen, dienen. Die Statue zeigt drei übergewichtige Männer, die lächelnd und glücklich ihre Bäuche reiben.
Obwohl oder gerade weil hier viele Touristen sind ist der Platz von der Polizei abgesperrt und wir müssten durch eine Kontrolle, bevor den Platz betreten dürfen. Larry sagt uns, dass der Stadtteil nicht sicher sei. Umso spannender ist es, als wir den plötzlich so sicher wirkenden Platz durch die Kontrolle verlassen und mit Larry in das Gewirr aus Menschen eintauchen, um einen großen Turm zu sehen und zur Bahnstation zu laufen.
Ich habe alle meine Wertsachen an meine Kleidung gekettet und wir halten Leon und unsere Habseligkeiten mit allen Händen fest. Insofern haben wir in Südamerika Glück – abgesehen von einem Diebstahlversuch in Quito und den korrupten Polizisten in Paraguay sind wir keinem Verbrechen zum Opfer gefallen.
Hier ist es nicht sicher. Taschendiebe und Straßenräuber warten auf ihre Chance.
Mit Larry besuchen wir weitere Teile der Stadt. Sie ist überraschend modern und sauber. Besonders im Vergleich mit anderen südamerikanischen Städten, aber auch in Hinsicht auf die Geschichte Medellíns. Man kann nicht über Medellíns Vergangenheit sprechen, ohne Pablo Escobar und die Herrschaft seines Drogenkartells zu erwähnen.
Die Stadt war in den 1980er und 1990er Jahren berüchtigt für den Drogenhandel und die Gewalt, die von kriminellen Organisationen wie dem Medellín-Kartell angeführt wurden. Der berüchtigtste Drogenbaron dieser Zeit war Pablo Escobar, der als Anführer des Kartells galt und für seine grausamen Taten und Korruption bekannt war.
Die Stadt war geprägt von den Auswirkungen des Drogenhandels, einschließlich hoher Gewalt- und Mordraten sowie sozialer Ungleichheit und Armut. In den letzten Jahren hat sich Medellín jedoch stark verändert und ist zu einer lebendigen und kulturellen Stadt geworden, die für ihre innovative Stadtplanung, ihre Kunst- und Kulturszene und ihre schönen Parks und Plätze bekannt ist. Dennoch bleibt Escobar ein fester Bestandteil der Stadtgeschichte und seine Verbrechen und ihr Einfluss auf Medellín sind bis heute spürbar.
Pablo Escobar ist immer noch überall präsent. Zumindest in den Köpfen der Menschen.
Pablo Escobar war nicht nur ein krimineller Drogenbaron, sondern auch ein Politiker, der es geschafft hat, in Kolumbien politische Ämter zu übernehmen. Er nutzte sein Geld, um in Medellín öffentliche Gebäude und Infrastruktur zu errichten und sich so als Wohltäter zu präsentieren. Allerdings hatte seine Präsenz auch schlimme Folgen für die Stadt. Die Stadt litt unter einer hohen Kriminalitätsrate und Gewalt, die von den Drogenkartellen verursacht wurde. Es gab zahlreiche Morde und Anschläge, bei denen unschuldige Menschen getötet wurden. Escobar selbst hatte auch eine Blutspur in der Stadt hinterlassen und ließ zahlreiche Konkurrenten, Polizisten und politische Gegner ermorden. Sein Einfluss auf Medellín war also zweifelhaft und obwohl er viel Geld in die Stadt investierte, litt die Bevölkerung unter der Gewalt und Instabilität, die mit seiner Präsenz einherging.
Heute arbeitet die Stadt hart daran, ihre Vergangenheit zu überwinden und eine bessere Zukunft zu gestalten, aber die Auswirkungen von Escobars Drogenhandel und Gewalt sind noch immer spürbar.
Besonders betroffen war der Stadtteil Communa 13, die traurige Berühmtheit als Tatort unzähliger Verbrechen in den Drogenkriegen um Pablo Escobar erlangte. Heute ist es ein Ort der Künstler, die den Ort bunt gefärbt haben, und der Touristen, die von den Führern durch die düstere Vergangenheit des Ortes geführt werden. Dort verbringen wir noch einen besonders schönen Tag.
Medellín arbeitet hart daran, seine Vergangenheit zu überwinden.
Wir machen Ausflüge aus der Stadt hinaus!!
El Piedra del Peñol
Neben der Stadt selbst besuchen wir noch zwei Orte in der nahen Umgebung. El Peñol ist ein berühmter Felsen, der neben einer Seenlandschaft aus der Erde ragt. Durch eine Lücke im Rücken des Felsens baute man eine Treppe im Zick-Zack, was einfach irre aussieht.
Guatapé
Unweit von El Peñol liegt das kleine Städtchen Guatapé. Mit seinen bunten Häusern und kolonialer Architektur entspricht es den optischen Klischees von Kolumbien.
Esteban trifft in Medellín ein und übernimmt das Auto von uns, um es wieder nach Paraguay zu bringen und dort darauf aufzupassen, bis sich ein neuer Käufer gefunden hat.
Es war eine schöne Zeit in Südamerika, aber es fühlt sich sehr unvollständig an. So Orte konnten wir auf dem Weg nicht besuchen und der Aufenthalt in Kolumbien war dank der langen erzwungenen Zeit in Quito nur noch kurz. Die Karibik, die Pampa, Patagonien und das große Brasilien warten noch auf die Erkundung.
Unsere Zeit in Südamerika ist abgelaufen. Ich bin traurig.
Für uns geht es erst einmal nach einem kurzen Stop in Bogotá in die Türkei. Und wie immer, wenn wir irgendwo hin wollen von weiter weg, dann trifft auch eine unvorhergesehene Katastrophe ein. 2019 wurde meine Weltreise durch Corona vereitelt. 2022 starten wir unsere geplante Südamerikareise mit Leon kurz nach Russlands Angriff auf die Ukraine. Immerhin erst nach unserem Aufenthalt in den Andenrepubliken brechen gewalttätige Auseinandersetzungen in Bolivien und Peru aus. Zum Ende unserer Elternzeit wollen wir Saras Familie im Iran treffen, doch dort gibt es eine Revolution und die Gefahr der Inhaftierung für Ausländer und Exilanten.
Es ist nicht einfach ein Visum für ein anderes Land zu bekommen, wenn man aus dem Iran kommt. In der Türkei ist das einfach möglich, daher wollen wir Saras Familie einfach in Antalya treffen. Doch an der Grenze zu Syrien gibt es die größten Erdbeben der Geschichte des Landes mit zehntausenden Opfern. Die Welt schien in den letzten Jahren ein Ort der Konstanz und langsamem Progress in Richtung moderner Technologien und der Adressierung der Bewältigung der Klimakrise zu sein.