Tagebuch Eintrag
Nicht weit von der Hauptstadt Südkoreas findet sich eine der brisantesten Krisenregionen der Welt: die Grenze zu Nordkorea und ein wenige Kilometer breiten Streifen, der diese Grenze bildet. Dieser Streifen ist die „Demilitarisierte Zone“ und dieses Wort ist ein Paradoxon, denn nirgends auf der Welt findet man so viele Waffen pro Quadratzentimeter, wie hier auf diesen vier Kilometer breiten Abschnitt, der die koreanische Halbinsel auf 248 Kilometern durchtrennt.
Ich weiß nicht, ob man Fahrten zur Grenze als Katastrophentourismus bezeichnen kann. Es ist zweifelsfrei eine besondere Erfahrung. Von Seoul aus buchen wir eine Tour, die mit der Fahrt in einem kleinen Bus mit einer kleinen Reisegesellschaft in aller Frühe startet. (25.9.2013) Neben uns nehmen nur Südkoreaner teil. Viele Menschen haben Verwandte auf der anderen Seite der Grenze und in den meisten Fällen wissen diese Menschen nichts über das Schicksal ihrer Familienangehörigen seit der Trennung des Landes.
Kurz vor der Grenze gibt es einen kleinen Markt, an dem wir Produkte beider koreanischen Länder finden können. Ich decke mich mit einem nordkoreanischen Ginseng-Wein als Souvenier ein.
Der Wein schmeckt furchtbar, aber die Verpackung macht Eindruck.
Es gab immer wieder Auseinandersetzung in der entmilitarisierten Zone. Außerdem erlebten die Südländer bereits vier Mal zwischen 1974 und 1990 eine böse Überraschung. Vibrationen im Boden verrieten die Nordkoreaner bei ihrem Bau von Tunnels, die unter der Grenzmarke hindurch bis in südkoreanisches Gebiet reichten.
Für alle diese vier Tunnel wurden Denkmäler gebaut, die daran erinnern sollen, wie akut die Gefahr noch heute ist. Ob es auch Tunnel vom Süden in den Norden gibt wird nicht ersichtlich.
Wir folgen der Grenze in Richtung der „Joint Security Area“. An dieser Stelle gibt es einen Übergang, den Checkpoint. Hier begegnen sich ab und zu die Staatchefs, um sich die besten Absichten zu versichern, und um immer einmal wieder gefangene Spione auszutauschen.
Auf einem Berg im Hintergrund nutzen die Nordländer die Chance für ein wenig Eigenwerbung und bauten mit 160 Metern den höchsten Fahnenmast der Welt. Allein die Flagge wiegt 270 kg.
Das schöne Wetter, die Reisfelder und blühende Blumenwiesen vermitteln eine beschauliche Idylle, die lediglich von den überall präsenten Stacheldrahtzäunen und dem Kriegsgerät etwas getrübt wird. Von einer Aussichtsplattform können wir weit in den Norden hineinschauen. Unsere sympathische Kriegsreiseführerin erklärt uns etwas darüber, was wir sehen.
Vor uns blicken wir auf den Fluss Han-Gang, der breit und zur Bucht wird, die in den Ozean übergeht. Am anderen Ufer sehen wir sanfte Hügel, idyllische Dörfer und Reisfelder, auf deinen vereinzelte Bauern gemütlich arbeiten. Scheint ein schönes Land zu sein, dieses Nordkorea. Und dann kommt gefühlt das Knirschen einer Schallplatte, um einen Riss im Film zu vertonen, in unseren Köpfen.
Die Dörfer, die wir sehen, bestehen aus Pappe. Wenn es Sturm gibt fallen hin und wieder manche der Fassaden um. Man hat sich scheinbar nicht einmal die Mühe gemacht, richtige Gebäude zu bauen, sondern lediglich Attrappen wie im Film dort aufzurichten. Bei den Bauern auf dem Feld handelt es sich um Schauspieler, aber schlecht bezahlte. Morgens kommen Militärfahrzeuge und laden in Arbeitsklamotten bekleidete Soldaten für die Propaganda-Aktion „Heidi auf dem Reisfeld“ ab, um sie abends wieder einzusammeln, bevor ihnen dumme Gedanken kommen könnten.
Die Grenze mit eigenen Augen zu sehen war eine historische Lektion für uns. In Deutschland sah es noch vor 24 Jahren genauso aus und könnte heute immer noch so sein. Aber das Schicksal hat es besser mit uns gemeint.
Wir verlassen die Grenze und begeben uns auf die Reise nach Süden. Dort suchen wir den Frieden im Land Buddhas.