Der Fahrer fährt uns von Wladikawkas in Russland bis nach Stepansminda, dem ersten Ort in Georgien jenseits der russischen Grenze. Russen haben kein Problem dabei in Georgien einzureisen. Sie haben Visafreiheit. Umgekehrt sieht das ganz anders aus.

Das kleine Städtchen fühlt sich an wie ein internationaler Flughafen. Überall wuseln Touristen umher. Dort eine Seniorengruppe aus Österreich, dort ein paar Individualisten aus den USA. Der Grund für den Massenandrang ist weder die Schönheit der Stadt noch die verkehrsgünstige Lage. Auf dem nahen Berg liegt das Kloster Katzbegi, das pitoresk vor den Bergen des Kaukasus liegt, allen voran vor dem Kasbek – dem 5000 Meter hohen mythischen Berg, an dem Prometheus dafür angekettet wurde, dass er eigenmächtig und gegen den Willen der Götter aus Mitleid den Menschen das Feuer brachte. Er mochte auch die Aussicht nicht recht genießen, da ihm ein Adler jeden Tag seine Leber fressen sollte.

Wir haben fast genauso wenig Genuss für den Ausblick an diesem klaren Tag. Diese Massen an Menschen erdrücken uns und mit all unserem Gepäck wollen wir nicht hinauf zum Kloster. Also beschließen wir wieder zu kommen und schauen uns nach einer Möglichkeit um nach Tiflis, beziehungsweise „Tbilisi„, wie es in den meisten Sprachen heißt, zu kommen.

Der Fahrer fährt uns langsam zu einem großen Platz und schafft es im Schneckentempo eine ältere Dame mit seinem Seitenspiegel zu rammen. Während Uli unser Gepäck vor den österreichischen Senioren beschützte und wir den Fahrer und die Dame miteinander streiten lassen gehe ich umher und prüfe die Lage. Es fahren alle zwei Stunden sogenannte Maschrutkas die 250km in die georgische Hauptstadt. Die nächste Möglichkeit ist allerdings schon voll. Ich wechsle für einen verrückten Wechselkurs unsere letzten Rubel gegen die lokalen Lari. Dann will ich mal sehen, ob es vielleicht Lastwagenfahrer gibt, die uns mitnehmen können. Dabei begegne ich jedoch einem Touristenpärchen, das gerade mit einem Mann über eine Fahrt nach Tiflis mit seiner eigenen Maschrutka verhandelt. Es soll losgehen, sobald sein Gefährt voll ist. Die Fahrt kostet für Uli und mich nicht einmal zwanzig Euro, soviele Lari habe ich gerade noch von der Wechselstube bekommen. Das Pärchen will allerdings noch einen Stopp arrangieren, um an einem Punkt unterwegs einen Tandemflug mit Gleitschirmen zu machen. Ich kann es kaum erwarten meinem gleitschirmbegeisterten Reisegefährten von unserer Route zu erzählen.



Wir starten umgehend, als in dem Gefährt noch ein Holländer und ein Pärchen aus Polen Platz genommen haben. Das initiale Pärchen stammt aus Deutschland bzw. den Färöer Inseln. Der Fahrer heizt die Straße herunter, als hinge das Leben seiner Familie von seiner Geschwindigkeit ab.

In Haarnadelkurven, die offensichtlich uneinsehbar sind, kann er immerhin noch mehrere LKW überholen. Aber es gibt immerhin WiFi an Bord!



Wir stoppen am Startplatz der Gleitschirmflieger und genießen das unglaubliche Panorama. Ich wandere auf der Jagd nach schönen Fotomotiven durch die Gegend und schreite um ein zerfallenes Gebäude. Es könnte früher ein Hotel gewesen sein. Man findet hier viele Überbleibsel aus kommunistischen Zeiten, die jetzt zerfallen. Ich bin neugierig und öffne den Draht der großen hölzernen Eingangstür, an der ein Hundewelpe wacht.

In dem ehemals eindrucksvollen Gebäude scheinen nun die Kühe zu hausen, es sieht ganz klar nach Stall aus. Was die friedlichen Widerkäuer jedoch mit den frischen blutigen Schafsköpfen auf dem Regal neben dem Eingang bezwecken bleibt mir ein Rätsel. Angewidert wende
ich mich ab.



Am Himmel kreisen unsere Freunde und setzen, einer nach dem anderen, wieder zur Landung an.
Wir passieren einen Ort, der auch bei Sankt Moritz sein könnte.

Gudauri soll das georgische Pendant im Kaukasus dazu werden und bietet Alpenhütten und Skilifte für die Schneebegeisterten.



Im Gespräch mit dem mausgesichtigen Mädchen aus Polen, dem wir von unserem Plan erzählten in Tiflis ein Auto zu mieten, ergibt sich der folgende piepsige Kommentar:

„I would not recommend to drive in Georgia. The people drive crazy and there are cows everywhere on the streets“!!!“

Durch ihre Nagetierstimme klingt das besonders lustig. Wir sollen diese Worte noch oft im Chor auf der Reise wiederholen, sobald wir Kühe, Schafe, Ziegen oder sonstige Vierbeiner vor uns auf der Straße sehen.

Dass die Leute hinter dem Steuer jedoch vollkommen irre sind demonstriert uns der Fahrer unser Maschrutka anschaulich. Es ist ausnahmsweise nicht einmal sein kopfloses Überholmanöver, sondern das eines Geistesgenossen im Gegenverkehr, der halsbrecherisch an einem Reisebus vorbeisetzt und die Existenz entgegen kommender Fahrzeuge komplett ignoriert. Unser Fahrer bringt uns in letzter Sekunde auf einem schottrigen Seitenstreifen in Sicherheit, bekreuzigt sich dreimal und betet ein paar Minuten still vor sich hin. Dann setzt er seine Fahrt mit derselben Risikobegeisterung wie zuvor fort. Es dauert nicht lange und eine der jungen Frauen muss den Wagen halten lassen, um sich im Gebüsch zu übergeben.


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