Nach der beeindruckenden Landschaft der Vulkane ist die Stadt ein Kontrast. Quito ist auch nicht, wie die meisten Städte, kreisförmig angelegt, sondern wuchert durch die Täler der 4000 Meter hohen Berge. Wir haben uns wieder eine Unterkunft besorgt und müssen viele Dinge hier erledigen. Leon soll mal wieder von einem Kinderarzt angeschaut werden und das Auto hat auch wieder Mängel.

Diesmal scheint etwas an der Federung kaputt zu sein, wie ich dem Klappern durch die holprigen Pisten durch die Berge entnehme. Und dann hat Leon das original japanische Autoradio aktiviert, das sich auch nicht mehr abschalten lässt und bei jedem Start des Motors laut alte Schlager aus dem Land der aufgehenden Sonne abspielt.

Wir sind zu Fuß auf dem Weg zu einem Kinderarzt, dessen Praxis viele positive Referenzen hat und nicht weit von uns entfernt liegt. Wir wohnen auf Saras Wunsch wieder, wie schon in Santa Cruz, in einer Unterkunft im modernen Finanzviertel der Stadt, nahe dem Parque La Carolina.

Am Wochenende und an Feiertagen sind im Park Familienfeste. Es gibt dort auch einen schönen Botanischen Garten mit Pflanzen aus dem Amazonasgebiet und einer Ausstellung hübscher Bonsaibäume.

Auf der anderen Seite des Parks liegt auch schon die Praxis des Kinderarztes. Während ich ein Spielzeug von Leon vom Bürgersteig aufhebe merke ich, wie mein Smartphone aus der Hosentasche rutscht. Als ich danach greife, um es von den Folgen der Schwerkraft in Kombination mit Asphalt zu schützen, spüre ich eine andere Hand an dem Gerät. Ich ziehe es heraus und drehe mich um.

Eine junge Frau steht neben mir. Sehr dicht neben mir. Wie ein Blitz durchzuckt es mein Gehirn. „Did you just try to steal my phone? Are you crazy?!“ sage ich. Die Frau trägt eine Covid-Maske, also kann ich ihr Gesicht nicht erkennen. „I’m sorry“ sagt sie leise, während sie langsam rückwärts von mir zurückweicht.

Ich folge ihr, bin mir aber nicht sicher, was ich mit der ertappten Diebin anfangen soll. Sara schaut irritiert mit Leon auf dem Arm, was los ist. „Stay here, we call the police“ ruft sie, als sie die Lage begriffen hat. Natürlich haben wir nicht vor, die Polizei zu rufen. Wie denn? Auch die Diebin kommt wieder zu Sinnen und ergreift die Flucht.

Direkt über die vielbefahrene Straße. Zum Glück kommt sie heil auf der anderen Seite an und läuft davon. Sara und ich schauen uns nur noch an und drehen uns wenden uns ab, um zum Kinderarzt zu gehen.

Bei Leon zeigen sich nach einigen Tagen die Nachwirkungen der Impfung, wodurch der Kleine mit Fieber ein paar Tage vor sich hin vegetiert und auch Sara eine Erkältung bekommen hat.

Das Wetter in Quito ist auch kalt und nass. Es lädt nicht sehr dazu ein hinauszugehen. Nur an wenigen Tagen haben wir plötzlich Sonne.

Um in die Altstadt zu kommen müssen wir ein Taxi nehmen, das etwa zwanzig Minuten braucht. Der historische Kern von Quito ist riesig und genau während unseres Aufenthaltes feiert die Stadt 488 Jahre seit der Gründung. Der Kolonialstil in den Straßen und an den Kirchen ist unverkennbar.

Zwei große Bauten übertrohnen alles: in der Stadt ragt die gewaltige Kathedrale, die Basilika, empor und stellt alle anderen Gebäude sprichwörtlich in den Schatten. Von weitem ist die Basilika zu sehen, sofern der Blick nicht durch einen Berg verdeckt ist.

Auf einem dieser Berge findet sich dann das zweite monumentale Bauwerk: die Virgen del Panecillo auf dem Berg Panecillo. Diese riesige Marienfigur blickt auf die Altstadt und ist auch von dort überall sichtbar. Den Weg den Berg hinunter sehen wir ein Warnschild: „tourists don’t go here, dangerous„.

Gut, dass sich uns eine junge Ecuadorianerin auf dem Weg vom Panacillo hinab in die Stadt anschließt, um uns zu beschützen.

Dort finden viele Aktivitäten statt. Auf einem Platz spielt Musik, auf einem anderen Platz feiern Schüler ihren Abschluss. Aber in unseren Hinterköpfen haben wir ein gewisses Unwohlsein.

Die Begegnung mit der Taschendiebin und die Warnung an Touristen lässt eine Anspannung zurück, durch die wir die Stadt nicht wirklich genießen.

Dazu trägt allerdings auch bei, dass die Mechaniker mein Auto komplett ruinieren. Der Auftrag lautete herauszufinden, was da vorne klappert, und einen verrosteten Bolzen am Querlenker auszutauschen.

Dann kann endlich die Auswuchtung durchgeführt werden, die ich in Cuenca noch nicht zu Ende bringen konnte.

Die Werkstatt „Toyoservicios“ macht einen guten Eindruck und ist offensichtlich auf Toyotas spezialisiert.

Ich gebe den Wagen ab und hoffe, dass der in einer Woche fertig ist. Dann kann endlich die Auswuchtung durchgeführt werden, die ich in Cuenca noch nicht zu Ende bringen konnte. Stattdessen führt der Werkstattbesuch zu einem Zwangsaufenthalt von sechs Wochen und vierstelligen Kosten.

Am Wochenende passiert in der Werkstatt natürlich auch nichts. Wir nutzen die Zeit, um zu einem besonderen Höhepunkt der Reise zu fahren: zum Äquator. Quito liegt nur wenige Kilometer südlich des Äquators und vom Zentrum kann man mit dem Bus oder einem Taxi zum Mitad del Mundo – dem „Mittelpunkt der Welt“ fahren. Die Chance nutzen wir und überqueren den Äquator zum ersten Mal zu Fuß.

Voller schöner Erinnerungen kehren wir nach Quito zurück, um uns damit wieder dem Problem mit dem Auto zu widmen. Die Teile sind unterwegs, aber hängen beim Zoll fest. Leider viel zu spät erfahre ich, dass DHL einfach nur meine Passdaten und die Begleichung der Zollgebühren braucht.

Sehr erfreulich ist, dass mein Freund Uwe zu Besuch aus Deutschland gekommen ist und uns nun die nächsten vier Wochen begleiten wird. Wohin es in diesen vier Wochen gehen wird steht noch nicht fest und hängt davon ab, ob das Auto bald läuft. Zusammen erkunden wir noch einmal die Stadt, fahren hinauf auf El Panecillo und sehen die Engelsstatue mit der Drohne auch aus der Höhe.

Da das Auto endlich fahrtauglich ist hält mich nichts mehr in Quito und auch von Ecuador will ich nichts mehr sehen. Es wird höchste Zeit noch die letzten Wochen unserer Reise Kolumbien zu erreichen. Doch auch das gestaltet sich als schwierig; als hätte uns das Universum nicht schon genug Steine in den Weg gelegt. Jetzt hat es einen ganzen Berghang in Gang gebracht. Denn nördlich von uns gingen so viele Regenfälle nieder, dass ein Erdrutsch die Panamericana in Kolumbien weggespült hat.

Es ist kaum zu glauben, aber es gibt gerade einmal zwei Straßen, welche Kolumbien mit Ecuador und allen südlichen Ländern des Kontinentes verbindet – wenn man berücksichtigt, dass es keine Straße nach Brasilien und Panama gibt und im einzigen verbliebenen Nachbarland Venezuela der Bürgerkrieg herrscht.

Also ändert sich unsere Route spontan. Wir fahren nicht nach Norden, sondern nach Osten. Wir fahren die Anden in Richtung Amazonien hinunter und werden Kolumbien durch den Dschungel betreten.

Dafür müssen wir als erstes über den Pass von Papallacta am Fuß des Vulkan Antisana.