Die zwei Seiten von Novi Sad



Tagebuch Eintrag

Eine spontan einsetzende Schneefront hat Serbien fest im Griff, als wir auf dem Weg aus Belgrad hinaus in die Heimatstadt meines Freundes Uros sind. Ich sehe von der Umgebung auch wirklich gar nichts, auch wenn mir mein Begleiter versucht zu beschreiben, wie das flache Land hier aussieht oder wie imposant die Donau an der Stelle ist, an der wir sie über eine lange Brücke überqueren.

Auch von der Stadt selbst sehe ich kaum etwas. Uros steuert den Wagen über eine Brücke, die Regenbrücke heißt, aber außer etwas Grau sieht man nichts. Mühsam kämpft sich der Wagen eine Kuppe hinauf und wir gelangen in die Festung Petrovaradin, dem Wahrzeichen der Stadt. Der Wind bläst bitterkalt und wenn man sich nicht bewegt wird man in Kürze zugeschneit. Wir laufen einmal an den Außenmauern der Festung entlang und ich bekomme einen kleinen Eindruck von der Aussicht über die Donau und die Stadt.

Uros erklärt mir, dass Novi Sad der Hauptsitz der Provinz Vojvodina ist. Dieser Teil Serbiens unterscheidet sich deutlich vom Rest Serbiens, denn früher war hier alles bis zum Fluss Österreich-Ungarn. Das spiegelt sich in der Architektur, dem Essen und sogar der Sprache und dem Verhalten der Bewohner. Uros behauptet, dass die Bewohner Vojvodinas viel höflicher als im übrigen Serbien ist. Nun, Uros wurde selbst hier geboren.

Neben „Spätzle“, „Dampfnudel“ und „Strudel“ gibt es hier noch weitere Gerichte aus dem deutschsprachigen Raum. Und ebenfalls viele Worte. Vor allem für Werkzeuge, aber auch „apetit„, „fruštik„, „lampa“ und „kibitzfenster“. Ich erkläre Uros das deutsche Wort „Weißwurstäquator„. Er lacht und sagt, dass dieses Wort im anderen Sitte an der Grenze zwischen Vojvodina und der anderen Seite von Serbien ähnlich angwendet werden kann.




Uros parkt den Wagen nahe eines Parks und wir schlendern in die Innenstadt. Auch hier wird der Schnee schnell höher. Auch das Stadtleben scheint eingefroren zu sein. Auf den Straßen regt sich nicht viel.

Mit eisernem Ton sagt mein Freund, dass die Bewohner von Novi Sad überhaupt nicht Auto fahren können und zu nervenzerreißender Gemütlichkeit tendieren.



In einem Restaurant sind wir mit Uros besten Freunden verabredet. Steva und Marya leben hier und konnten ihre frisch geborenen Zwillinge zur Feier des Tages bei den Eltern abgeben. Dazu stößt auch Nina, die früher selbst einmal als Kind ein paar Jahre in Deutschland lebte und heute eine sehr talentierte Künstlerin ist.

Steva versteht viel von Wein und Rakya und empfielt mir von beidem etwas sehr gutes. Er möchte selbst einen Weinberg beginnen und ich freue mich auf das Ergebnis. Es gibt viel Rakya und so große Portionen, dass ich wieder Bauchschmerzen vom vielen Essen bekomme.



Nach dem Essen verabschieden wir uns voneinander und selbst ich bin schon wehmütig, obwohl ich diese Menschen gerade erst kennengelernt habe. Ich freue mich auf die Aussicht darauf, sie am nächsten Wochenende wieder mit Uros zu besuchen.

Wir spazieren weiter durch die Stadt, über der sich bereits die Sonne gesenkt hat und die durch die Lichter in einem ganz neuen, fröhlicheren und weihnachtlichen Glanz erstrahlt. Das Rathaus leuchtet weit und Uros führt mich zur Synagoge, in der diesen Abend, wie an vielen anderen, ein Konzert stattfindet.

Auf dem Rückweg statten wir den Eltern von Uros einen Besuch ab, der mir nicht hilft, die Schmerzen in meinem Magen zu lindern. Es gibt üppig Teilchen und Kekse. Auch die Eltern schließe ich direkt ins Herz.

Trübsinniger machen mich die Geschichten, welche die Familie über die NATO-Angriffe von 1999 zu berichten hat. Wir stehen auf dem Balkon ihrer Wohnug in einem Hochhaus, als mir Marya, Uros Mutter, erzählt, wo dicht am Haus die amerikanischen Tomahawk-Raketen einschlugen, wie das ganze Haus am Beben war, während die Kinder noch am Spielen waren.



Nach einer Woche kehren wir nach Novi Sad zurück und sehen die Stadt von einer ganz anderen, sonnigen Seite. Der Schnee ist geschmolzen und die Sonne dringt hin und wieder durch die Wolken.

Erst jetzt kann man die farbenfrohen Fassaden der Häuser der Stadt sehen und es wirkt gleich viel freundlicher.



Nachdem ich einen Covid-19-Antigen-Test für meine baldige Heimreise gemacht habe brechen wir auf zu einem kleinen Ausflug aus der Stadt heraus. Vor den Toren von Novi Sad gibt es den Nationalpark „Fruška Gora„, wo wir Steva und Marya noch einmal zum Mittagessen treffen.

Es ist schön die beiden wieder zutreffen. Wir haben ein hervorragendes Mahl in einer Hütte auf dem Berg mit zahlreichen Rakyas und Mala Punas.



Wir kehren wieder zurück in die Innenstadt, die ich jetzt von seiner ganz anderen Seite betrachten kann. Es fällt schwer etwas wiederzuerkennen.

Vor dem Rathaus gibt es einen Weihnachtsmarkt, den wir uns ansehen wollen.



Der Weihnachtsmarkt in Novi Sad steht denen in Deutschland in wenig nach. Es gibt Handwerker, die ihre Kunst anbieten, lokale Produzenten von Wurst, Käse, Alkoholika und Süßwaren sowie natürlich Ess- und Glühweinstände.

Ich decke mich mit einigen Leckereien ein und Uros steuert ebenfalls ein paar Dinge dazu, sodass ich guten Gewissens voll beladen nach Deutschland zurückkehren kann.




Noch einmal besuchen wir Uros Eltern und es ist wieder ein Deja Vú. Es gibt Plätzchen und Kekse und mein Bauch ist wieder zum Platzen gespannt. Die Eltern empfangen mich herzlich und zeigen mir freizügig Fotos von ihrem Sohn in jüngeren Jahren.

Der Vater Milan zeigt mir beim Anblick meiner Kamera auch seine Ausrüstung, sein Leica-Kamerakörper sowie die beiden Objektive. Mit einem Foto von den beiden verabschiede ich mich von ihnen und auch der Stadt.

Bei der Fahrt aus der Stadt heraus bitte ich Uros noch um einen letzten Stopp. Wir kommen an der erleuchteten Festung vorbei und die Brücke schimmert nun ihrem Namen gerecht werdend in Regenbogenfarben. Es ist ein schönes Abschiedsbild von einer Stadt voller glühender Herzen.


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