Tagebuch Eintrag
Wir sind spontan zu Gast von Freunden von Uli im südrussischen Wladikawskas. Am Morgen nach unserer Ankunft holt uns Alan mit dem Auto ab und bringt uns in seine Wohnung. Dort warten Angela, Tamilan und Aleksandra schön mit einem üppigen Frühstück aus Tomaten, Gurken, Käse, Pfannkuchen, Brot, Butter und Datteln auf uns. Es war Wochenende und Alan, Tamilan und Aleksandra wollen mit uns in die Berge fahren und uns den Kaukasus zeigen.
Auf dem Weg zeigt Alan in eine Richtung und erklärt, dass vor wenigen Jahren in der nahen Stadt Beslan ein Terroranschlag auf eine Schule viele Leben forderte.
Die Regionen Tschetschenien und Inguschetien sind ebenfalls nahe. Dort ist es zwar momentan ruhig, doch die blutigen Konflikte zwischen der muslimischen Minderheit und den Truppen der Regierung sind noch nicht lange her.
Reisewarnung!
„Nordkaukasus:
Dagestan, Inguschetien, Nordossetien und Tschetschenien: Die persönliche Sicherheit von ausländischen Reisenden kann in diesen Regionen weder von den Zentralbehörden der Russischen Föderation noch von den lokalen Sicherheitsorganen gewährleistet werden. Die Interventionsmöglichkeiten der Behörden sind auch bei häuslicher Gewalt sehr beschränkt (z.B. Kindsentführungen durch einen Elternteil, Zwangsheirat oder Zwangseinlieferung in eine psychiatrische Klinik). Die Gefahr von Lösegeld-Entführungen besteht auch für Ausländer – ebenso das Risiko, in Terroranschläge oder Aufstände militanter Gruppen zu geraten. Zum Beispiel sind bei einem Anschlag in der Altstadt von Derbent im Dagestan am 30. Dezember 2015 eine Person getötet und elf verletzt worden.Von Reisen in die Republiken Dagestan, Inguschetien, Nordossetien und Tschetschenien wird abgeraten.“
Auswärtiges Amt, Stand 2017
Das Wetter ist prachtvoll. Am Himmel hängt kaum eine Wolke und wir können unsere warmen Klamotten endlich im Gepäck lassen. Alan hält mit seinem feudalen großen SUV am Rand einer Bergstraße, damit wir uns an einer natürlichen Quelle Wasser abfüllen können.
Nicht weit davon gibt es eine fantastische Schlucht, in deren Tiefe sich ein Bach weiter in den Berg hineinfrisst.
Auf großen Anhängern stapeln sich Bienenkästen am Straßenrand. Offenbar werden diese ständig bewegt, wodurch die Bienen eine große Abwechslung ihres Speiseplanes haben und die Natur sich an neuen Stellen über die befruchtenden Besucher freuen kann.
Auch hier, in der Stadt, als auch in den Bergen, sehen wir keinen Müll. Sie sind wirklich sehr sauber, diese Russen.
Wehrtürme – Markenzeichen des Kaukasus
Wir erreichen ein schönes, offenes Tal. An einem Hang ragt ein hoher Wehrturm auf. Schon aus der Entfernung können wir ein paar davon in den Bergen hier sehen. Diese sind ein sehr typisches Merkmal des Kaukasus. Ganze Dörfer wurden aus Wehrtürmen gebaut. Dabei schichten die Bewohner aus Steinen einen quadratischen Turm auf und versehen ihn mit Stockwerken aus Holz, auf denen verschiedene Familien und das Vieh leben.
Auch hier zählt das Prinzip: Höher ist immer besser. Bis zu vier Stockwerke gibt es. Bei einem Angriff können sich alle Familien in ihre Türme zurückziehen und von der Turmspitze hinab mit Pfeilen schießen.
Vielleicht ist es Zufall, aber auch die Bewohner der kalten Inseln der Nordsee rund um Schottland haben schon vor langer Zeit ähnliche Wehrtürme gebaut.
Alan biegt mit seinem fetten SUV in ein Tal ab und folgt der Schotterstraße bis zum Ende. Am Fuß des Berges und am Rand zu einem Gebirgsfluss sehen wir eine seltsame Formation aus Steinhäuschen mit dunklen Schieferdächern, die zu klein sind, um bewohnt zu sein. Aber sie sind es.
Eine Stadt der Toten!
An der Vorder- und Rückseite jeden Häuschens sind Öffnungen, durch die wir aus der Nähe haufenweise die menschlichen Knochen ganzer Familien sehen erkennen können. Es handelte sich um die Totenstadt „Dargaws“ der vergangenen Völker des Kaukasus, den Alanen und Osseten. Aleksandra erklärt, dass der soziale Status eines Hauses an seiner Lage zu erkennen ist. Je weiter oben die Gräber an dem Hang liegen, desto bedeutsamer waren die Familien.
Die Nekropolis Dargaws
Die Totenstadt in Nordossetien, bekannt als Dargaws, ist eine mittelalterliche Nekropole. Die Menschen in der Region haben seit dem 14. Jahrhundert ihre Verstorbenen in den Häusern dieser Stadt bestattet. Im 17. Jahrhundert wurde Dargaws als Quarantäneplatz für Pestkranke genutzt. Die Gebäude in Dargaws sehen aus wie kleine Wohnhäuser und es wird angenommen, dass sie im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind. Es gibt viele Legenden und Geschichten, die sich um diese geheimnisvolle Geisterstadt ranken.
Natursteine
Durch die Öffnungen bläst ständig Wind durch die Gräber. Deswegen haben sich die Leichen nicht zersetzt, sondern wurden auf natürliche Art mumifiziert.
Allerdings haben Stoffe nicht ausgereicht, um die Körper zusammenzuhalten. Daher sehen wir vor allem eine Sammlung verstreuter Knochen anstelle intakter Skelette.
Diese Toten hatten in ihrer Ewigkeit beste Aussicht
Als wir zu unserem Auto zurück gehen gibt mir ein Junge die Hand und begrüßt mich. Später gibt er mir wieder die Hand, als ich aus einem Klo komme, geht dann zu deinem Vater uns sagt ihm auf russisch, ich bin sein Freund – das übersetzt mir Uli. Sehr rührend.
Alan kommt die Idee zu einem schönen Wasserfall zu fahren. Das einzige, kleine Problem ist jedoch, dass der hinter der Grenze zu Georgien liegt… und unsere russischen Gastgeber ihre russischen Pässe nicht dabei haben.
Alan versucht dennoch sein Glück am kleinen Grenzposten. Er redet eine ganze Zeit lang mit seinen südlichen Landesnachbarn, doch diese bleiben hart. Auch wenn Russen beliebig nach Georgien einreisen können – was umgekehrt nicht der Fall ist – brauchen sie mindestens dafür einen Pass.
Wir erkunden mehr von den Bergen des Kaukasus und treten unsere Reise nach Georgien an.