Tagebuch Eintrag
Etwas außerhalb von Húsavík finden wir wieder eine bildschöne Unterkunft in einem Farmhaus im Nirgendwo. Nachts wird es hier schon so kalt, dass ich nicht einmal meiner Überlebensdecke mein Überleben zutraue, dafür ist das Licht unglaublich schön und wir werden für unserer Frieren an der freien Luft mit einem unglaublichen Sonnenuntergang belohnt.
Während wir gemütlich an unserem Whisky nippen sind wir schon voller Vorfreude auf den nächsten Tag. Ein Tag, den wir auf einem Segelschiff auf der Jagd nach Walen verbringen sollen. Mit der Kamera, natürlich. Obwohl Island zu den wenigen Nationen gehört, die noch offiziell aktiv auf Walfang gehen, haben sich alle Isländer, die wir kennengelernt haben, deutlich für einen Schutz der Wale ausgesprochen.
Wir erreichen Húsavík in aller Frühe. Der Ort ist die nördlichste Stadt Islands und eine der nördlichsten Städte der Welt. Nur wenige Kilometer weiter nördlich von ihr befindet sich der Polarkreis.
Es ist kalt und die Berge sind schneebedeckt. Nur dadurch, dass es Nachts kaum dunkel wird und in aller Frühe schon die Sonne hoch am Himmel steht merken wir, dass es eigentlich mitten im Sommer ist.
Wir haben natürlich wieder außerordentliches Glück mit dem Wetter. Es ist sonnig und windstill, das erhöht unsere Überlebenschancen auf dem arktischen Ozean erheblich. Wir finden unser Schiff, den Zweimaster Haukur, und erfahren vom ersten Offizier, dass es zusätzlich noch eine weitere Maßnahme zur Förderung des Überlebens an Deck gibt: pro Mann/Frau/Divers eine Zimtschnecke sowie der Ausschank von Kakao mit Rum, vom Kapitän persönlich, am Ende der Fahrt.
Wir dürfen in rote Strampelanzüge hinein und uns ansonsten auf die Beobachtung der Tiere konzentrieren. Wir passieren einen Felsen außerhalb der Bucht von Húsavík und können wieder unsere Freunde, die Papageientaucher, in Aktion erleben.
Es stellen sich auch ein paar Delfine ein, die einen kleinen Schwarm Fische erspäht zu haben scheinen.
Da wir natürlich jeden Quatsch machen überreden wir den Kapitän, uns auch einmal das Ruder zu überlassen. Zumindest symbolisch dürfen wir nun am Steuer alle ins Verderben stürzen. Zur Sicherheit ist der Kapitän nicht weit von uns entfernt.
Schließlich ist es soweit. Ein Buckelwal gibt sich die Ehre und lässt uns ziemlich nahe an sich herankommen.
Das Wasser ist sehr klar und wir können mehr von seinem mächtigen Körper sehen.
Kurz darauf sichten wir gleich zwei Buckelwale. Die gammeln da einfach in der See herum, drehen sich auch um ihre Achse und winken mit der Flosse.
Wir können ihnen im wahrsten Sinne auf die Pelle rücken – würde einer von uns über Bord gehen würde er komfortabel landen.
Wir befürchteten schon, dass wir zu spät dran seien. Die Berichte über einen Blauwal sind schon über eine Woche her. Der König der Meere, das größte Tier, das jemals existierte, alle Dinosaurier eingeschlossen, existiert zu unseren Lebzeiten. Diese Tiere können bis zu 34 Meter lang werden. Doch es gibt nicht mehr viele, der Mensch hat diese Tiere zu großen Teilen ausgerottet.
Doch schon wieder küsst uns Fortuna dorthin, wo die Sonne nicht scheint. Der Gigant stößt eine Fontäne auf und wir können einen Bruchteil seines gewaltigen Körpers in der Entfernung sehen. Dieses Tier wiegt soviel wie mehrere Exemplare unseres Schiffes auf einmal.
Das Tier ist majestätisch und wir müssen regelrecht die Luft anhalten. Der Ton des Atmens ist tief und geht uns durch Mark und Bein. Langsam gleitet der Riese auf und ab, verschwindet unter der Wasseroberfläche und taucht wieder auf. Man müsste im eiskalten Wasser tauchen, um die ganzen Ausmaße dieses Tieres bestaunen zu können. So bleibt uns vor allem der Vergleich zu den wesentlich kleineren Buckelwalen.
Die Fahrt gestaltet sich als sehr ereignisreich. Wir sehen einige Wale und bekommen sogar den Blauwal zu Gesicht. Zwischendurch darf ich auch helfen, das Großsegel zu setzen. Gute alte Handarbeit, die eigentlich völlig unnütz ist, wenn es keinen Wind, aber dafür einen Dieselmotor an Bord hat..
Der Kapitän hält Wort und schenkt am Ende der Fahrt den versprochenen Kakao mit Rum aus. Die Zimtschnecke gibt es auch. Vermutlich stürzen sich die Isländer hier in den Ruin, wenn man die Alkoholsteuern in diesem Land betrachtet.
Wir verlassen Húsavík in dem Gefühl, eine der imposantesten Begegnungen mit der Tierwelt gemacht zu haben, die man heutzutage überhaupt haben kann, und haben die malerische Fahrt auf dem Segelschiff mit dem Blick auf Wale und schneebedeckte Berge extrem genossen.