Tagebuch Eintrag
Endlich bin ich wieder im Iran und es ist schon wieder zur Zeit des persischen Neujahrs. Bereits 2018 hatte ich das Vergnügen beim traditionellen Fest von Iranern in den Kreis ihrer Familie eingeladen worden zu sein und hatte eine fantastische Reise durch das Land. Es scheint eine Tradition zu werden den Iran nur im Frühjahr zu besuchen und ich werde wohl nie die Bäume voller Blätter sehen.
Diesmal geht es zur Familie. Zu Saras Familie und zu Leons Familie, die und um Teheran lebt. Wir werden bei unserer Ankunft in der Nacht am Flughafen von Saras Vater abgeholt und fahren direkt an der Stadt vorbei in die Berge. In der dortigen kleinen Stadt Lavasan, dem „Beverly Hills“ Teherans, besitzt die Familie eine schöne Wohnung. Es ist Ende März und es ist nicht ungewöhnlich, dass es noch etwas frisch ist – der Ort liegt auf 1700 Metern Höhe.
Ich habe die Stimmung vor dem Fest bereits erlebt und die Anspannung der Menschen vor dem Fest kennengelernt. Es ist die Vorfreude vor dem wichtigsten Fest des Jahres, alles wurde bereits lange vorbereitet und zwei Wochen staatliche Ferien stehen bevor.
Auch bei Saras Familie wurden die haft sin – die sieben Gaben – bereits vorbereitet.
Ähnlich dem Weihnachtsbaum oder den Ostereiern gehören diese sieben Gaben einfach dazu. Abgesehen von den Goldfischen. Ich bin froh, dass die Familie Abstand davon nimmt, lebendige Goldfische auszustellen, denen dann eine ungewisse, aber kurze Zukunft bevorsteht. Am Ende gibt es für jedes Familienmitglied einen Geldschein aus dem Gedichtband von Hafez.
Die Stadt Lavasan ist für sich auch nicht klein und liegt in den Bergen Abseits der dichten Smogglocke Teherans. Es ist deutlich kühler als in der 14-Millionen-Menschen-Metropole. Auf den umliegenden Bergen liegt noch Schnee und die Bäume sind noch weit davon entfernt Blätter zu tragen.
Die Wohnung der Familie liegt wiederum in einem Seitental der Stadt, durch das ein Bach plätschert und im Tal in einen Stausee gelangt, der die Hauptstadt der Islamischen Republik mit Wasser versorgt.
Die Berge laden zum Spazieren, Offroadfahren und Mountainbiken ein. An einem Hang gibt es eine hohe Umzäunung. Ich wundere mich bei dem hohen Zaun, ob dahinter ausgestorbene Raubsaurier gehalten werden. Tatsächlich gibt es dort wilde Tiere, auch wenn sich die Aggressivität der seltenen Bergziegen dort in Grenzen halten sollte. Ich gehe davon aus, dass der Zaun umgekehrt die Ziegen vom schlimmsten Raubtier der Welt schützen soll.
Saras Bruder Siavash pflegt in den Bergen nicht nur gerne Mountainbike-Fahren, sondern auch einige Musikinstrumente. Darunter die traditionelle Tar. Er spielt Leon darauf vor und lässt den Kleinen auch selbst ein paar Töne ausprobieren.
Saras Mutter Ehteram kocht unglaublich leckeres persisches Essen. Ich werde in den folgenden Tagen einige Kilo zunehmen.
Wie ich schon in der Vergangenheit erlebt habe sind die Perser unglaublich gastfreundlich. Und so ist es auch kein Wunder, dass wir an den Feiertagen von Nachbarn, Freunden und Verwandten eingeladen und üppig beschenkt werden.
Leon erhält so viel Geld aus dem Buch Hafez, dass er heute ein reicher Mann ist und sich mit zwei Jahren zur Ruhe gesetzt hat.
Ich frage Siavash zu seiner Sicht auf den aktuellen Angriff Russlands auf die Ukraine. Wie sehen die Menschen im Iran den Krieg? Seine Antwort überrascht, aber leuchtet ein. Es bewegt die Iraner nicht besonders. Das liegt nicht an mangelnder Empathie, sondern an der Tatsache, dass die Iraner selbst so viel Krieg an ihren Grenzen gewohnt sind. Der Irak, Kurdistan, Afghanistan… all diese Länder waren erst in der kurzen Geschichte Kriegsschauplätze. Daher ist für die Menschen im Iran die Ukraine sehr weit weg.
Trotzdem sehe ich über die nächsten Tage und Wochen viele meiner iranischen Freunde Kritik über die Verbrechen Russlands in Instagram verbreiten. Es scheint den Iranern doch ein wenig näher zu gehen, als man denken könnte.
Die Tage nach dem Neujahrsfest mit der Familie begebe ich mich auf eigene Faust in die Hauptstadt Teheran, um neue Menschen in Couchsurfing und ein paar neue Perspektiven kennenzulernen.