Tagebuch Eintrag
Es ist schon bemerkenswert. Während man noch beklemmt aus Deutschland aufgebrochen ist, wo überall Vorsichtsmaßnahmen zu Corona getroffen wurden, scheint man hier auf einem anderen Planeten angekommen zu sein. Auch wenn es sich so anfühlt, als würde es hier kein Corona geben, sprechen die Zahlen aber eine andere Sprache. Es wird einfach nur ignoriert.
Wir übernachten südlich von Stockholm in Älta bei Couchsurfer Steve. Wir hätten auch im Park gezeltet, aber ausnahmsweise regnet es heute mal. Wir haben etwas Zeit um die Stadt zu erkunden, bevor Steve uns aufnimmt.
Morgens um fünf Uhr brechen wir zur Fähre zu unserem nächsten Abenteuer auf.
Åland ist Teil der EU und theoretisch gehört dieses in der Ostsee liegende Archipel zu Finnland, obwohl dort nur Schweden leben. Das Land ist aber mit eigenem Parlament, eigener Ökonomie und Innenpolitik autonom. Wegen Corona darf momentan niemand einreisen. Wir müssen also eine Lösung finden, um trotzdem dieses ungewöhnliche Land zu besuchen, das gerade um die Ecke liegt und einfach mit der Fähre zu erreichen ist. Bei der Recherche finden wir eine Seite der Deutschen Botschaft und eine Honorarkonsulin der Bundesrepublik Deutschland mit Namen und Handy Nummer. Wir haben eine Idee.
Warum fragen wir die Dame nicht nach einem Interview zu… einem Thema. Wir schreiben ihr auf Whatsapp, dass wir deutsche Journalisten sind und eine Reportage über Åland in Coronazeiten machen und sie interviewen wollen. Sie ist interessiert und sagt zu, einen Termin finden wir aber noch nicht. Wir buchen Tickets, setzen mit der Fähre über und werden von der Grenzpolizei erwartungsgemäß abgefangen und aufgehalten. Wir müssen unseren Aufenthalt begründen.
Klar, wir erklären das Vorhaben unserer Reportage und sagen, dass wir die Konsulin Deutschlands interviewen wollen. Wir geben ihm die Nummer, er ruft die Frau an und redet ganze fünf Minuten mit der, dann ruft er einen Kollegen an und telefoniert auch nochmal mit dem fünf Minuten und dann… „Welcome to Åland“. Wir haben es echt geschafft.
Draußen auf der Straße beginnen wir auch gleich Leute vor die Kamera zu stellen und zu ihrer Person und den persönlichen und generellen Auswirkungen von Corona in Åland zu befragen. Wir machen nun wirklich eine Reportage, die wir veröffentlichen wollen.
Wir kommen unter bei Couchsurfer Jonas, einem lieben Kerl mittleren Alters, den die Coronakrise allerdings beruflich extrem gebeutelt hat und der dabei ist, sein Leben in der Hauptstadt Mariehamn aufzugeben. Er nimmt sich Zeit, um uns auf der Insel herumzuführen und auch viel zur Geschichte zu erzählen. Es gibt sogar eine mittelalterliche Burg und die Ruine einer Festung russischer Besatzer während der Neuzeit zu besichtigen.
Als ersten lernen wir Melker kennen, ein junger Mann, der den Dienst des Hafenmeisters macht und nebenbei auch in der Curling Nationalmannschaft spielt. Er erzählt uns von seiner Liebe zum Segeln im Archipel und dem Wegbleiben der Touristen, was die Insel stark trifft. Er ist sich aber sicher, dass sein Land das überstehen wird.
Eine Dame namens Ann in einem Kunsthandwerksladen ist ebenfalls begeistert davon von sich zu erzählen.
Harry Jansson ist der Kanzleramtsminister und Regierungssprecher. Als wir zum Regierungssitz schlendern, uns dort anmelden und fragen, ob sich dort jemand vor unserer Kamera äußern möchte, erklärt er sich bereit. Er gibt ein schönes Statement über den Situation und ist zuversichtlich, dass es gut ausgeht, wenn es nur bald wieder normal wird.
In einem Café lernen wir die junge Olivia kennen. Sie ist passionierte Kunstschmiedin und arbeitet darauf hin, mit einem Weintester und einem Bäcker ein eigenes Kunstcafé eröffnen will. Corona ist für sie erstmal schlecht, da sie die Krise erstmal abwarten müssen.
Jonas bietet sich ebenfalls für unser Interview an. Früher war er ein großer Musikproduzent, der schon beim Eurovision Song Contest mitwirkte und dann in die IT wechselte. Sein Arbeitgeber in der Schiffsbranche machte aber wegen Corona pleite und Jonas muss sich nach Finnland orientieren.
Per-Ole lernen wir gleich unserem Eintritt auf die Insel kennen. Er war früher Touristenführer und spricht gut Deutsch. Er muss erst einmal abwarten, wie es weiter geht.
Wir sind dank Katarina Mörn ins Land gekommen und dürfen sie interviewen. Sie ist Deutsche, aber lebt schon seit Jahrzehnten auf der Insel. Hauptberuflich hat sie auch eine Touristenagentur, durch Corona ist sie natürlich sehr betroffen.
Die Stadt Mariehamn ist hübsch. Es gibt einen kleinen Stadtkern mit einer Fußgängerzone. Im Sommer gibt es sogar große Musikfestivals in dem kleinen Ort, zu dem tausende von Besuchern strömen. Im Hafen liegt ein historisches deutsches Segelschiff: die Pommern.
Im Land ist man etwas überrascht uns zu sehen, aber man behandelt uns wie Helden, wir sind die einzigen Touristen, jeder freut sich und zu sehen und über unser Interesse.
Letztendlich haben wir Interviews mit Leuten auf der Straße, in Läden und Cafés gemacht. Wir hatten die Honorarkonsulin der deutschen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland sowie am Ende sogar den Minister des Kanzleramts vor der Kamera. Jeder wollte dabei sein. Es hat sich so herumgesprochen, dass uns sogar noch die Grenzpolizei fröhlich verabschiedet , als wir wieder die Rückreise nach Schweden antreten müssen.