Corona oder Die Geschichte einer gescheiterten Weltreise

Der Plan war fest. Im Oktober 2019 entschlossen Sara und ich diesen lange gehegten Traum wahr zu machen. Warum sollte man den größten Teil seines Lebens mit der

Arbeit verbringen und das, was man liebt, auf höchstens dreißig Tage Urlaub im Jahr beschränken?

Das Leben ist keine Gehaltstabelle, Geld kann man nicht ins Grab nehmen. YOLO.

Ich arbeite zu diesem Zeitpunkt an der Uni. Meine Professoren wussten schon immer, dass diese Traum in mir schlummert und es nach meinen Reisen in den Kaukasus, den Iran und nach Sibirien nur noch eine Frage der Zeit ist, bis ich nicht mehr von einer Reise zurückkehren möchte. Im November erkläre ich offiziell meine Promotion für gescheitert und verkünde als Konsequenz, dass die Zeit für die Erkundung der noch weißen Flecken auf meiner Weltkarte gekommen ist.

Auch wenn ich meinen Beruf sehr gerne habe weiß ich, dass hier nicht der Platz für das Ende meiner Tage ist. Meine Professoren wünschen, dass ich ein halbes Jahr vorher Bescheid sage, damit es genug Zeit gibt einen Nachfolger für mich zu finden. Das ist der Nachteil einer einzigartigen Position. 



Die ersten Meldungen über den Ursprung eines neuen Virus auf dem Tiermarkt in Wuhan verbreiten sich unauffällig über Randmeldungen der Nachrichten.

Quelle: Aljezeera

Im Dezember zerbrechen Sara und ich uns den Kopf darüber, wann wir wessen Wohnung kündigen und wo wir die Reise beginnen möchten.

Der Plan wird konkreter. Ich möchte meine Reise mit meinem Freund Uwe im Iran starten, danach für Flüchtlingshilfe in den Irak und in die Türkei reisen, nach Jordanien und Israel, um Sara dann wieder im August zu treffen, dann nach Mexiko zu reisen und sie einen Monat später wieder dort zu treffen.

Sogar Grönland war im Gespräch.

Wir planten das Backpacking durch Mittelamerika, das Beschaffen eines Autos in Santiago und die Rundreise durch Südamerika. Von Couchsurfern in Danzig erhalten wir umfassende Informationen und viel Motivation. Nach dem Verkauf des Wagens sollte es nach Australien gehen, wo wir wieder ein Auto kaufen und damit bis nach Afrika fahren wollen. 

Quelle: Aljezeera

Jeder, dem wir von unserem Vorhaben erzählen, ist begeistert. Ich hätte mehr Widerstand im Namen der Vernunft erwartet. Im Januar liegt meine Kündigung im Briefkasten der Universität, Accounts bei Workaway und italki werden erstellt,

Sara legt ihre Sprachprüfung für ihre Einbürgerung ab, mehr Couchsurfer eingeladen, während erste Meldungen über Covid-19 Fälle im Iran verkündet werden. Ich plane um und hoffe in der Türkei oder Israel zu starten.

Und dann treten die Corona Fälle in Italien auf und wir realisieren, dass es zu einer Krise kommt. Der Virus ist vor unserer Haustür und die Konsequenzen haben wir in China gesehen. Während ich für eine einfachere Übergabe meiner Wohnung noch vergeblich einen Nachmieter suche wird schmerzhaft klar,

dass die Reisepläne im Keim erstickt werden, nachdem wir gerade alle Vorbereitungen abgeschlossen haben. Das Schicksal ist grausam.

Ende März sind alle Grenzen geschlossen. Nicht einmal mein letzter Strohhalm, der Plan, mit dem Motorrad durch Deutschland zu reisen, kann von mir umgesetzt werden, da einige Bundesländer auch dies verbieten, die Gastronomie geschlossen und wildes Zelten strenger verfolgt wird. 

Zum Glück hat Sara ihre Wohnung und ihren Job noch.

Ich darf bei ihr einziehen und beginne eine neue Karriere in der Wirtschaft. Der Traum von der Weltreise ist vorerst geplatzt. Das Alter spielt gegen uns, doch niemand weiß, was die Zukunft bringt. Eines ist sicher: sie steckt voller Überraschungen.

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