Tagebuch Eintrag
Wir erreichen Meknés abends gegen 22:30 Uhr. Der Zug aus Tanger erreicht die Stadt pünktlich. Die Straßen sind still und verlassen und der Bahnhof liegt abseits der Stadt, aber Meknés ist nicht groß. Wir überlegen uns, was wir jetzt tun. Es ist wichtig ein Hotel zu finden, und zwar so rasch wie möglich. Am Ausgang des Bahnhofs stürzen sich dann doch aus dem Nichts wieder einige Leute auf uns und bieten uns „gute“ Hotels an.
Ein kleiner Mann versichert uns ein Hotel in der Nähe zu kennen. Da wir so immerhin kein Taxi nehmen müssen und der Typ nicht ganz durchtrieben aussieht folge ich ihm mal. Tatsächlich führt er uns um die nächste Ecke in das feine Hotel „Majestique“. In dem Land scheint das Touristengeschäft über Provisionen zu laufen, denn der kleine Man will auch gar kein Geld von uns, sondern rennt schnurstracks zum Portier, der ihn allerdings wieder hochkant aus dem Gebäude wirft.
Das Hotel ist wirklich fein, daher frage ich vorsichtig nach den Preisen. Besonders, da es schon spät ist. Man bietet uns ein Dreierzimmer mit Dusche für ca. 12€/Person und ein Dreierzimmer mit Dusche auf dem Flur für ca. 10€/Person an – beide Tarife inklusive Frühstück.
Man hatte uns gesagt, dass man um diese Zeit außerhalb der Saison noch weniger zahlen würde. Aber angesichts der Tatsache, dass es schon spät ist, das Hotel gemütlich aussieht und der Preis inklusive Frühstück doch nicht so schlimm ist sagen wir zu.
Es ist zwar das teuerste, aber wirklich das beste Hotel, das wir auf dem Trip haben werden. Das Zimmer ist komfortabel und alles ist sauber. Hergerichtet ist das Hotel in einer Mischung aus französischem Herrenhaus- und arabischem Stil.
Wir gehen noch einmal raus auf die Straße, da unser finnischer Freund hungrig ist. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, um Essen zu kaufen. Kaum haben wir die Straße betreten kletten sich die ersten Kinder an uns, die etwas Geld erbetteln wollen.
Olli betritt ein Lokal, das wie ein Döner-Laden aussieht, aber die Inhaber gucken ihn überrascht an, als er ihnen mitzuteilen versucht, dass er gerne etwas essen möchte. Letztendlich tippt er auf ein Baguette sowie auf Käse und Fleisch und Salat, worauf der eine Typ etwas von dem Käse in Stücke schneidet und auf das Brot legt, während er Olli fragend betrachtet. Wir sparen uns weitere Erklärungsversuche und Olli reicht das Brötchen für den ersten Hunger aus, auch wenn ihm zu spät aufgeht, dass dafür umgerechnet 6 € ein viel zu übertriebener Preis gewesen sind.
Der Wecker wirft uns um 8:30 Uhr früh aus dem Bett… da Olli schnarcht wie ein finnischer Holzfäller ist es nicht das erste Mal, dass meine Augen vor dem Wecker offen sind.
Aufbruch in die Stadt
Praktischerweise gibt es ja Frühstück im Hotel, sodass wir uns nach dem Aufstehen in den kleinen Speisesaal begeben. Ein anderer Hotelportier als gestern begrüßt uns eine Spur zu freundlich. Wir finden unseren Tisch und sofort kommt eine Frau heran, die uns Butter, Marmelade und das typische marokkanische Gries-Brot hinstellt. Kaffee folgt direkt hinterher. Der Speiseraum ist wie eine arabische Teestube eingerichtet, abgesehen davon, dass hier richtige Tische und Stühle stehen.
Nach dem Frühstück frage ich den Portier nach einer Karte von Meknés. Der Mann spricht statt Englisch nur Spanisch, was für uns genauso gut ist, da wir ja gerade in Spanien leben.
Mit dem Stadtplan bewaffnet wagen wir nun zum ersten Mal auf Erkundungstour in die marokkanische Welt und schlagen den Kurs in Richtung Innenstadt ein.
Auf dem Weg ruft uns plötzlich jemand hinterher. Als ich mich umdrehte erkenne ich den Portier von gestern, nur diesmal ohne Anzug und Krawatte. Er grüßt uns sehr freundlich und erzählt uns, dass er nun endlich mal einen freien Tag zum Schlafen hätte. Er gibt uns ein paar Tipps für die Stadt und verabschiedet sich wieder mit einem Gähnen und Winken.
Auch hier in Meknés ist der marokkanische Verkehr nicht so schlimm, wie erwartet – es gibt gar nicht viele Autos; dafür aber viele Eselkarren, die den Stadtverkehr in Marokko mitbestimmen. Aber die Autos, die es gibt, sind alte Mercedes!
Von einem Aussichtpunkt aus haben wir einen guten Überblick über die Stadt. Wir sehen die Minarette der Moscheen, die Dächer der Häuser des neuen Stadtteils, in dem wir uns noch befinden, und das Labyrinth der medina, der Altstadt. Die Richtung schlagen wir nun auch voller Abenteuerdrang ein und erreichen nach einigen Kurven das Bab Mansour, das Große Tor, und den großen Platz von Meknés. Dieser wird von einer alten Stadtmauer, der Medina und dem Markt, dem soukh, umrahmt.
Der Markt
Auf dem Platz scharen Geschichtenerzähler Mengen an Leuten um sich, und Teestuben locken mit Tischen vor ihren Läden. Wir marschieren durch den Trubel und werfen uns auf den Markt. Hier wird alles kommerziell angeboten, was man sich nur vorstellen kann, von Billigartikeln aus Asien über „Marken“-Lederjacken, Drogerieartikeln, Hi-Fi-Systeme bis hin zu allen möglichen Lebensmitteln.
Wir erreichen eine Markthalle, wo an Ständen Hühner und Kaninchen verkauft werden. Gleich dahinter folgen Stände, wo die gleichen Tiere in geschlachteter Form angeboten werden. Von einer Kühlung von rohem Fleisch hat hier noch niemand gehört und Schwärme von Insekten finden ein Festmahl vor.
Nach den stark stinkenden Schlachtgutständen folgen Buden mit dem Verkauf von Oliven in allen Formen und Farben, die mühe- und kunstvoll aufgeschichtet sind. Als letztes finden wir uns vor Ständen voller Teilchen aus Blätterteig, Honig und Karamell, sowie Pralinen und anderen Süßigkeiten in allen Variationen.
Auch hier schwirren die Insekten, allerdings sind es hier Schwärme an Bienen, die den Zuckerguss der Backwaren stibitzen. Man bietet uns die Teilchen zum Probieren an – sie sind ausgesprochen lecker. Angesichts der einsetzenden Hitze draußen liegt uns der Zucker aber direkt schwer im Magen.
Im nächsten Gang laden uns Händler zu ihren wohlriechenden Gewürzständen ein, wo sie uns durch die Vielfalt der Gewürze des Orients führen. Von Speisegewürzen, wie zum Beispiel verschiedenen Curry-Sorten, Paprika, Ingwer, Chili und Safran, finden wir auch duftende Sorten aus Rosensteinen und Amber, welches aus Wal-Galle gewonnen wird.
Ich habe den Eindruck im Mittelalter zu sein
Als wir die Halle verlassen kommen wir durch kleine Gassen, in denen Leute Kartoffeln und anderes Gemüse, sowie sehr krank aussehende Tiere, angebunden oder in Käfigen, und Fisch und Fleisch verkaufen. Der Boden ist matschig und es riecht auch hier wieder furchtbar. Das Treiben wirkt wie aus dem Mittelalter: die Menschen betreten die Gassen aus ihren notbeholfenen Behausungen. Frauen sitzen auf dem Boden und bereiten Fladenbrot zu. Esel stehen geistesabwesend mitten auf dem Weg. Katzen, die berechnend einen Fisch vom kleinen Sortiment eines Händlers stehlen. Die Männer, die in Kaftanen und einer Kappe oder einem Fes durch die Straßen gehen. Die aus Holz gefertigten Stände, die aus Lehm erbauten Häuser und das Kopfsteinpflaster. Und letztendlich erwischt uns in jeder Gasse eine neue Explosion aus verführerischen oder brechreizerregenden Gerüchen.
In jeder Gasse erwischt uns eine neue Explosion aus verführerischen oder brechreizerregenden Gerüchen.
Wir erreichen Viertel der Medina, die ebenfalls wie im Mittelalter von den verschiedenen Zünften der Handwerker beherrscht zu werden scheinen. Wir schlendern durch das Viertel der Teppichhändler, dann durch die Viertel der Tischler und letztendlich das Viertel der Metallschmiede. Ein älterer Mann lädt uns für einen Tee in seinen Laden ein und präsentiert uns seine Kunst. Er spricht recht gut deutsch und hat zur Überraschung Ollis sogar ein paar Sätze auf finnisch auf Lager. Man muss Respekt vor der Sprachvielfalt des Handwerkers haben, denn er hat wirklich für jeden Touristen etwas in seiner Muttersprache parat. Er verrät uns, dass er selbst auf japanisch einige Dinge sagen kann.
Der Silberschmied
Der Mann führt uns in seinem Laden und seiner Werkstatt herum und zeigt uns Pokale, Teller und vor allem Schmuck. Beliebt ist vor allem die „Hand von Fatima“, Mohammeds Tochter, welche der Legende nach eine schützende Wirkung vor dem Bösen Blick haben soll.
Er führt uns auch hinauf auf seinen Speicher, wo seine Gesellen dabei sind rohe Stahlteile zu verarbeiten, in Form zu bringen und Silber durch Drähte auf die Objekte in allen erdenklichen schönen Mustern zu hämmern. Die Stadt steht im Zeichen des Silbers. Das Metall wird in der Nähe gewonnen und hier seit hunderten von Jahren bereits zu Schmuck und Zierrat verarbeitet.
Nach einem weiteren Tee kommt der Mann dann auch zum Geschäft. Da uns einige Sachen gefallen kaufe ich einen Ring und Susanne einen Armreif. Ich versuche mich zum ersten mal im Handeln und der Händler macht amüsiert mit. Ich bin aber noch nicht geübt, so dass wir uns schon bei 60% des Preises treffen, was immer noch 5 € sind. Bei meiner Frage, ob ich schon gut gehandelt habe, schüttelt der Mann nur lachend den Kopf. Zumindest habe ich schonmal etwas gelernt.
Wir tauchen so tief ein in die Medina, die Altstadt, dass wir uns verirren. Die Häuser stehen so dicht an den anderen, dass nur kleine Sträßchen übrig bleiben und keine Möglichkeit zur Orientierung lassen. Ich versuche Olli und Su zu beruhigen, die in den leeren kleinen Gassen um unsere Sicherheit fürchten, während ich immer enthusiastischer werde.
Die Medina
Wir hören, wie der Muezzin zum Gebet aufruft. Das ist etwas, das ich nur aus den exotischen Geschichten des Orients kenne, aber in Marokko, wie in anderen islamischen Ländern, das Tagesgeschehen mitgestaltet. Ordinärerweise verfügt mittlerweile auch im letzten Dorf jedes Minarett über ein Megaphon-System, so dass der Mann nicht mehr selbst den Turm hinaufsteigen und vom Balkon brüllen muss.
Die Marokkaner um uns herum verschwinden jedoch nicht, wie gedacht, plötzlich hinter ihren Türen und rollen die Gebetsteppiche aus. Zwar wird alles, was Krach macht, zum großen Teil eingestellt, aber das Geschehen der Straße setzte sich munter fort.
Irgendwann finden wir tatsächlich wieder den Weg hinaus aus dem Labyrinth, mit dem wir die Medina betreten haben. Wie in einem Kreisel werden wir einfach durch die Gässchen und Straßen herumschleudert und wieder dort hinausgespuckt, wo wir auch herkamen.
Nun gönnen wir uns erstmal etwas zu essen auf dem Lahdim-Platz vor dem Bab Mansour. Wir wählen ein Restaurant, das über Menüs verfügt, denn sonst muss man um die Essenspreise handeln oder sie zumindest vorher ausmachen, um nicht gnadenlos über den Esstisch gezogen zu werden.
Wir erhalten Fladenbrot mit Fleisch und überraschenderweise auch Pommes Frites, obwohl sie nicht im Menü stehen und erfreulicherweise auch nicht berechnet werden. Etliche Bestellungen in diversen andere Restaurants in den zukünftigen Tagen zeigen uns, dass diese Pommes, wie das Besteck, selbstverständlich zum Essen gereicht werden.
Wir marschieren selbst wie die Könige durch das Bab Mansour und wimmeln ein paar Leute ab, die uns zu einer Kutschfahrt überreden wollen. Wir schlendern am Mausoleum des Sultans, diversen Teppichgeschäften und verfallenen Türmen mit Storchennestern vorbei und marschieren eine lange Straße entlang, auf der auch nicht mehr soviel los ist.
Meknés ist eine von vier Königsstädten und damit Hauptstädten der verschiedenen Monarchen des Landes. Die weiteren Königsstädte sind Fés, Marrakesch und letztendlich Rabat, wo der heutige König Mohammad lebt.
Nun wollen wir „Ville Imperiale“, die eigentliche Königsstadt, finden, von der mir mein Reiseführer berichtet:
Der Sultan Moulay Ismail hatte um die Hand der Tochter des Königs Louis XIV angehalten und um den Franzosen zu imponieren errichtete er in seinem Königssitz, den er von Fes nach Meknés verlegt hatte, einen Palast nach dem anderen mit seinen Gärten und Brunnen nach dem Vorbild des Schlosses Versailles. Louis und seine Tochter wollten den Sultan trotzdem nicht, was eventuell auch an seinem Harem von 500 Frauen gelegen haben könnte. Und auch sonst liebte Moulay Ismail größere Dimensionen: in seinem Stall sollen sich 15.000 Pferde befunden und während seines Lebens sollen sich 6000 Sklaven in den Kellern des Palastes aufgehalten haben.
Wieder passiert uns eine Kutsche und einer von zwei Männern auf dem Kutschbock lädt uns zur Fahrt ein. Da die Straße nun recht trostlos und weitläufig zu sein scheinen sieht die Kusche mit Polstersitzen und Verdeck gar nicht mehr so übel aus; ich verdränge den Gedanken an so viel Luxus und wende mich zur Überraschung von Olli und Su ab, danke dem Mann und versichere ihm, dass wir keinen Bedarf haben. Der Mann beginnt damit zu preisen, wie gut und bequem die Kutsche und wie weitläufig das Gelände sei.
Die Königsstadt
Er macht uns ein Angebot von 150 Dirham, worauf ich mich sofort wieder weg drehe und schimpfe, dass das viel zu teuer ist, wir jung sind und auch blendend zu Fuß gehen können. Er verringert auf 120 Dirham und ich sagte 80. Bei 90 Dirham und dem Angebot für eine Stunde Rundfahrt durch die Stadt lassen wir uns auf die Polster der Kutsche nieder und genießen die Fahrt.
Der Mann war für sein Gespräch mit uns von der Kutsche gesprungen, übersetzte dem Kutscher was ausgemacht war und zieht bei unserer Abfahrt davon. Da der Kutscher ja kein Englisch sprach, hatte es der gewitzte Mann geschafft den Kutscher und uns durch diesen Handel von sich abhängig zu machen…
Wir gönnen uns den Luxus einer Kutschfahrt, nachdem ich den Kutscher nach marokkanischer Tradition runter gehandelt habe
Das Gebäude der fürstlichen Ställe ist noch nicht geöffnet, daher fahren wir noch weiter bis zu einem Wasserreservoir, wo wir aussteigen und uns die Beine vertreten.
Beim Eingang zu den Ställen und dem Kornspeicher lässt uns Kutscher zur Besichtigung aussteigen. Der Freund vom Kutscher taucht plötzlich wieder auf und bietet uns seine Führung an. Wir schlagen das Angebot dankend aus.
Das Gelände der Anlagen des Königspalastes ist gigantisch groß. Das Dach der gepriesenen Ställe war jedoch eingestürzt und zwischen den hunderten Säulen wächst nun das Gras.
Wir finden unsere Kutsche wieder und die Fahrt ging weiter durch die Stadt. Wir kommen am zweiten Stadttor vorbei und am Markt, an welchem wir morgens noch waren.
Die Stunde ist schnell vorbei und wir bezahlen dem Kutscher den abgemachten Lohn. Schon wieder taucht auch der Mann auf, der mit uns die Kutschfahrt ausgemacht hatte und zeigt uns den Eingang zum Mausoleum Moulay Ismails. Das Grab des verschmähten Sultans ist aber nicht besonders spektakulär, also führt uns der geschäftsorientiere Mann zu den Kerkern, welche nicht tief unter dem ganzen Gelände liegen, aber auch nicht viel zu sehen bieten. Er berichtet etwas über die Geschichte; nett, aber ungefragt, folglich fällt sein Lohn bei unserem Abschied auch nicht so hoch aus, wie er sich wohl erhofft hatte; als wir ihm die paar Münzen in die Hand drücken und gehen, macht er ein Gesicht wie ein getretener Hund.
Wir kehren wieder zum Lahdim-Platz zurück und bummeln weiter durch die Medina, durch Gassen, in denen Läden wie normale Geschäfte einer Einkaufspassage aneinandergereiht sind und die Menschen beim Shoppen sind. Es finden sich neben Schuh- und Klamottenläden auch Frisöre und kleine Bäckereien. Ein Mann spricht Olli an, fragt ihn nach seiner Herkunft und lädt uns in seinen Laden ein. Da Su und ich nichts Gegenteiliges sagen gehen auch wir auch als Finnen durch.
Die Welt der Berber-Teppiche
Der Laden bietet eine Ansammlung schönen Araber- und Berberschmucks. Der Mann bittet uns auch noch den ersten Stock zu besuchen. Hier bietet sich uns eine ganze Galerie an Teppichen, und nach dem Angebot einen Sitzplatzes und „Berberwhisky“, wie Marokkaner ihren in Zucker aufgelösten Pfefferminztee spaßeshalber nennen, beginnt schon die Vorstellung: unbemerkt war ein Assistent mit einem Arm voll Teppichen in den Raum gekommen.
Der Meister beginnt damit über die schwere Kunst der Teppichherstellung zu berichten und die Unterschiede zwischen von Männern und Frauen gemachten Teppichen darzulegen. Auf einen Wink zeigt uns der Assistent zuerst leichte Teppiche, die auch als Decken verwendet werden können, in Farben wie Safran-Gelb und Indigo-Blau oder in der Naturfarbe der Wolle. Die Teppiche sind gemischt oder einzeln aus Kamel-, Schaf oder Lammwolle gefertigt. Die Muster und die Farben unterscheiden sich; der Meister versichert uns, dass kein Teppich gleich aussieht, selbst wenn man versuchen würde ein Muster zu kopieren.
Nach den leichten Decken mit wenigen Farben und Mustern kommen nun die schweren marokkanischen Teppiche im „old style“ als Programmpunkt dran. Zuerst halten uns der Meister und Assistent die Teppiche vor die Nase, dann werden sie zum Befühlen vor unsere Füße gelegt. Der Assistent erregt häufiger den Ärger des Chefs dadurch, wenn er nicht schnell genug den richtigen Teppich zur Hand hat und die Vorstellung in ihrem Fluss gestört wird.
Die old style Teppiche sind mit Farben und Mustern versehen, die mit Wellenlinien Dünen und mit blaue Flächen den Himmel symbolisieren sollen.
Auch hier gibt es auch wieder viele Unterschiede, da die Teppiche auch von verschiedenen Berberstämmen stammen: es gibt da die Stämme des Rif Gebirges, Stämme des Hohen Atlas, des Mittleren Atlas und des Tiefen Atlas. Jeder Stamm hat natürlich seinen eigenen Stil.
Er versucht uns dennoch weiter dazu zu bringen irgendwelche billigen Anfangsgebote bzw. Schätzungen des Wertes der Teppiche zu machen, worauf wir uns aber ungeduldig werden nicht mehr einlassen, und so verabschiedet er uns dann auch sehr freundlich.
Nach den Stammesteppichen folgen nun die Geschenkteppiche, welche Mann zu verschiedenen Anlässen Frau zum Geschenk bringt. Da ist zum Beispiel der Teppich für die Frau, wenn man um ihre Hand anhalten möchte. Dann gibt es da natürlich der Teppich als Hochzeitsgeschenk. Dann gibt es kuschelige Teppiche, in den sich die schwangere Frau einwickeln kann, und dann der Teppich für das Baby. Dieser Teppich ist voll bunter Punkte; die Farbe, welche das Baby als erstes intensiv befingert, soll ab sofort die Farbe seiner Kleider haben. Im Endeffekt findet sich in diesem Laden für jedes Lebensereignis der passende Teppich.
Der Händler fragt uns, ob wir nicht noch die kleinen Teppiche ansehen wollen, aber wir winken schnell ab. Wir haben unser tägliches Pensum an Teppichen erreicht. Er will uns aber natürlich nicht einfach gehen lassen und erklärt er uns den letzten Teil des Spiels und dafür zwei berberische Worte: „ishmi“ für „weg damit“, und „chahri“ für „noch einmal ansehen“.
Und so werden uns alle Teppiche, die zu unseren Füßen lagen, noch einmal vorgeführt, und wir winken sie weg oder bestimmen, sie noch einmal zu sehen (um den armen Händler nicht ganz zu beleidigen). Wie er sich jedoch bestimmt denken kann, aber durch Handlungsgeschick zu verhindern versucht, bedanken wir uns sehr herzlich für die nette Präsentation seines Sortiments, sagen ihm aber, dass wir nicht interessiert daran seien etwas zu kaufen.
Irgendwann finden wir aus dem Gewirr der Gassen wieder auf dem Lahdim-Platz heraus und versuchen, ob wir nun den Weg zur großen Moschee in der Mitte der Medina finden würden. Wir beeilen uns, da langsam die Sonne unterzugehen droht und wir nicht im Dunkeln in dem schmalen und dunklen Labyrinth der Medina sein wollen.
Wir finden die Moschee, aber sie ist genau wie alle anderen Häuser mit der Medina verwoben, sodass man von außen nicht mehr als dem Minarett sehen kann; betreten dürfen wir die Moschee als Nicht-Moslems auch nicht.
Gegenüber dem ausladenden Gotteshaus sehen wir einen kleinen Palast und laut einem Schild ist der Eintritt sogar gratis. Wir lassen uns dadurch in das Gebäude hinein locken, und siehe da, es befindet sich hinter der schweren Tür wirklich ein Palast: ein hoher, wunderschön dekorierter arabischer Raum, verkleidet mit Teppichen. Der dazugehörige Teppichhändler begrüßt uns, und nachdem er unsere höchst misstrauischen Blicke bemerkt versucht er uns zu beruhigen. Wir brauchen uns selbstverständlich keine Teppiche anzuschauen.
Er führt uns herum und erklärt uns, dass dies das Anwesen eines berühmten Koranlehrers zur Zeit des bekannten Sultan Moulay Ismails gewesen ist.
Wir verlassen aber auch dieses Geschäft wieder ohne Teppich. Die zunehmende Dunkelheit und der Hunger treiben uns wieder hinaus auf den Lahdim-Platz.
Die Sonne geht sehr schnell unter, dabei ist es erst 18:30 Uhr. Wir trinken noch einen Tee auf dem Platz, wo auch immer mehr Spektakel stattfinden, und finden ein Angebot zum Abendessen für 3€.
Das Restaurant ist ein kleines Lädelchen und außer uns ist auch niemand darin. Wir bestellen unserer erste Tajine, einen Eintopf aus Gemüse, Kichererbsen und Fleisch nach Wahl, zubereitet und serviert in einem kegelartigen Tontopf. Neben Couscous und Brochettes ist die Tajine das Nationalgericht Marokkos. Der alte Mann, der hinter der Theke hantiert, gestikuliert und unterhält sich mit uns, obwohl wir kein Wort verstehen. Wir haben trotzdem unseren Spaß.
Gesättigt und müde machten wir uns nun wieder auf Richtung Hotel. Unsere weitere Reise wird uns in die Königsstadt Fés führen.