Tagebuch Eintrag

Von der abenteuerlichen Fahrt durch die Schlucht von Lahich (Lahic) erreichen wir die Hauptstraße gen Westen wieder und folgen dieser an Quebele vorbei bis nach Scheki (Sheki, Shaki, Şəki). Es ist schon wieder Abend, als wir in einer Unterkunft ankommen, die wir auf dem Weg gebucht haben. Ein altes Ehepaar öffnet uns die Türen und freut sich über unseren Besuch. Wir sprechen über eine Mischung aus Englisch und Russisch miteinander.

Auf der Suche nach Abendessen kommen wir in ein Restaurant, das sehr nobel aussieht. Unser Kellner wirkt sehr grimmig. Vielleicht sind wir falsch angezogen. Aber außer uns ist sowieso kaum jemand da.

Ich möchte lokalen Wein bestellen und werde dazu aufgefordert, einen aus dem Weinkeller auszusuchen. „Das wird teuer“ denke ich, aber als der Mann mir den Preis nennt meine ich, dass er scherzt. Aber er bleibt ernst und scheint es auch so zu meinen. 17 Manat, umgerechnet 8 Euro. Auch das Essen ist verflucht günstig. Wir schlagen zu, eine Flasche nach der anderen, Portion um Portion. Es ist so richtig lecker und wir fragen uns nach wie vor, wo der Haken ist. Der finstere Kellner fragt uns nach unserer Herkunft. Wir sagen ihm, dass wir aus Deutschland stammen.


Leckeres Essen und Völkerverständigung durch Modern Talking


Der Mann friert ein, als hätte ihm innerlich jemand eine Fensterscheibe eingeschlagen. „Was ist jetzt los?“ fragen wir uns. In einer ganz anderen, sanften Stimme berichtet der Mann, dass seine große Leidenschaft die Musik von Modern Talking ist. Er kramt sein Smartphone heraus und zeigt ein manipuliertes Bild von sich mit Thomas Anders und Dieter Bohlen. Fröhlich und von Wein motiviert singen wir die ersten Strophen von dem einen oder anderen Klassiker der Band an, da kommen dem Mann fast die Tränen. Er zerfließt in Emotionen und erzählt uns Geschichten aus seiner Jugend, bis ihm wieder einfällt, dass er ja hier arbeitet.

Nun schenkt er uns besonders viel Aufmerksamkeit und unterhält sich mit uns, als wären wir seine Lieblingsenkel.

Wir essen und trinken vorzüglich und stellen auch bei der Rechnung fest, dass es keinen Haken gab. Für unser fürstliches Gelage voller Gerichte mit zartem Fleisch aus dem Ofen mit Aprikosen und Kastanien mit Brot und Salat und Wasser und weiteren Kleinigkeiten sowie zwei Flaschen guten Wein zahlen wir gerade einmal 81 Manat. 40 Euro. Zu dritt.




Wir erkunden Scheki. Unsere Unterkunft liegt nicht weit weg von den historischen Sehenswürdigkeiten, daher können wir einen schönen Spaziergang durch die Stadt machen, um dort hinzukommen. Scheki ist auch bekannt für seine Süßwaren. Es gibt zahlreiche Geschäfte für Halva (Nougat) in zahlreichen Variationen, zum Beispiel mit verschiedenen Nüssen und Früchten.

Ebenfalls bekannt ist Scheki als Ursprung des Gerichts „Pitti, das wir nun schon ein paarmal genossen haben. Aus Iran kenne ich es als „Disi„. In kleinen Tontöpfen wird ein Eintopf aus Fleisch und Gemüse zubereitet und längere Zeit gegart, bevor er geöffnet und mit Brot verzehrt wird. Die Tontöpfchen gibt es hier auch an jeder Ecke zu kaufen.


Die Bedeutung von Sheki

Sheki zählt zu den historisch bedeutendsten Städten Aserbaidschans und war über Jahrhunderte ein zentraler Knotenpunkt entlang der Seidenstraße. Durch ihre Lage am Südrand des Großen Kaukasus entwickelte sich die Stadt früh zu einem wichtigen Handelszentrum, in dem Seide, Gewürze und Handwerkskunst ausgetauscht wurden. Händler aus Persien, Zentralasien und dem Mittelmeerraum prägten das kosmopolitische Leben der Stadt.

Besondere Bedeutung erlangte Sheki im 18. Jahrhundert als Hauptstadt des Khanats von Sheki, das zeitweise eine weitgehende politische Unabhängigkeit besaß. Aus dieser Epoche stammt auch der berühmte Sommerpalast der Sheki-Khane.

Neben Handel und Politik war Sheki auch für seine Karawansereien bekannt, die Reisenden Schutz und Unterkunft boten und bis heute erhalten sind. Trotz Eroberungen, politischer Umbrüche und Naturkatastrophen blieb Sheki ein kulturelles Zentrum. Heute steht die historische Altstadt als UNESCO-Weltkulturerbe für die bedeutende Rolle der Stadt als Brücke zwischen Orient und Okzident.

Dieses architektonische Meisterwerk mit farbenprächtigen Glasfenstern und kunstvollen Wandmalereien spiegelt den Reichtum und den kulturellen Anspruch der Stadt wider.





Wir gehen bergaufwärts und kommen an den historischen Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei. Zuerst möchten wir den Sommerpalast besuchen, die bekannteste Attraktion der Stadt.

Da Sheki neben Baku und Gobustan zu den touristisch bedeutendsten Orten des Landes zählt versuchen wir den „Touristenmassen“ zuvor zu kommen.



Es gab einen königlichen Regierungskomplex, doch der wurde von den Russen im 18. beziehungsweise 19. Jahrhundert dem Boden gleich gemacht. Einzig ein Sommerpalast steht noch, den wir uns auch ansehen können. Dort hielt der König damals während des Sommers Audienzen oder zog sich für politische Entscheidungen zurück.

Die Russen unter Zar Alexander I scheinen allerdings so eine Zerstörung angerichtet zu haben, dass man heute nicht einmal mehr weiß, welche Gebäude damals noch hier standen. Kunstgegenstände und wertvolle Teppiche wurden verschleppt und liegen vermutlich heute in russischen Privatsammlungen.



Bei der Führung dürfen wir leider keine Aufnahmen innerhalb des Sommerpalastes machen. Unser Führer erklärt uns eindrucksvoll die Geschichte des Gebäudes und die Funktionen der einzelnen Räume. Auch über die bewegte Vergangenheit des Palastes erfahren wir viel.

Wir lernen auch, dass all die bunten Fenster ohne Nägel gefertigt wurden und aus hunderten Stücken Holz und buntem Glas zusammengesteckt wurden. Handwerker demonstrieren diese Kunst in kleinen Werkstätten neben dem Palast und bieten kleine und große Arbeiten zum Verkauf an.



Im Hof des Palastes werden wir auf die hübschen Figuren aus Ton des Künstlers Abad (Instagram: @abadmerkez). Die Bilder und Figuren sind voller fantastischer Details.

Wir verweilen eine ganze Zeit dabei, die amüsanten Szenen der kleinen Protagonisten aus Keramik zu entschlüsseln und ich will von jeder Figur ein Bild machen.





Die Figuren sind so witzig und voller Details, dass ich gar nicht aufhören kann zu schauen!



Vor langer Zeit war die Stadt die größte Handelsstadt entlang der Seidenstraße in diesem Teil des Kaukasus. Davon übrig sind noch zwei bemerkenswerte Karawansereien, die Untere Karawanserei (Aşağı Karvansaray) und die Obere Karawanserei (Yuxarı Karvansaray). Die Namen erklären sich anhand der Berglage.

Wir können nur in die Obere Karawanserei eintreten. Diese ist nun ein Hotel und der Bereich des Erdgeschosses steht auch Besuchern offen, die dort nicht übernachten. Es ist ein erstaunliches Gemäuer, das ordentlich renoviert wurde. Ich kann mir gut vorstellen, wie früher Händler hier in diesem „Karawanen-Motel“ halt machten.






Wir machen einen Schlenker über das kleine Kisch (Kish, Kiş) im Norden, doch da gibt es nicht viel zu sehen neben einer orthodoxen Kirche, die zum Zeitpunkt unseres Eintreffen von einer chinesischen Touristengruppe gestürmt wird. Da haben wir uns von den Lobpreisungen des Reiseführers zu viel versprochen.

Unseren Gastgebern nach müssen wir auch noch unbedingt weiter bis nach Gach (Qax) fahren. Eigentlich wollten wir nach Sheki wieder umdrehen, aber das alte Ehepaar überzeugt uns diese Kilometer auch noch zu fahren, also satteln wir das Auto und reiten los!



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