Tagebuch Eintrag

Die riesige Stadt Saigon ist mehr als beeindruckend. Diese Stadt und dieser Teil des Landes kämpfte damals auf Seiten der Amerikaner jedoch gegen den kommunistischen siegreichen Norden Vietnams. Ganz Vietnam war damals ein Schlachtfeld und seine Bewohner Opfer, oft auch unfreiwillig Soldaten. Außerhalb der Stadt gibt es noch ein weiteres Museum, das von den unglaublichen Bedingungen während des Vietnamkrieges zeigt: die Tunnel von Củ Chi.

Wir brauchen etwa eine Stunde bis Củ Chi, und je früher am Morgen, desto eher haben wir eine Chance, wenig Betrieb auf dem Gelände zu haben.

Wir plündern noch schnell was wir am Frühstücksbuffet vorfinden, denn dummerweise öffnet auch dieses erst um halb acht. Ian hat uns in der Zwischenzeit einen Minibus besorgt und sammelt unsere Pässe ein, um unsere Visa für Kambodscha besorgen zu können. Er spricht mit kratziger Stimme und scheint einen mörderischen Kater zu haben. Er bleibt auch im Hotel zurück.



Was ich von der Umgebung sehe, sobald wir aus der Stadt raus sind, sind einfache Häuser, Hütten und unendlich weite Kautschukplantagen. Die einfachen gepflasterten Straßen, auf denen gerade mal ein Fahrzeug Platz hat halten den Fahrer kaum davon ab weniger als siebzig zu fahren. Zur Verteidigung des Fahrers muss ich sagen, dass ich auch nirgends ein Geschwindigkeits-Begrenzungsschild gesehen habe. Im ganzen Land habe ich bisher keines gesehen. Wir fahren auf einen großen Platz, an dem ein paar Bürobaracken stehen.

Dort besorgen wir uns Tickets und setzen uns in den Fernsehraum, in dem ein Propagandafilm der Taten der Frauen und Kriegshelden gezeigt werden, welche Schmerz, Tod und Entbehrungen, mal abgesehen von den primitivsten Verhältnissen zur Verteidigung des Landes auf sich genommen hätten. Es wird der Ho-Chi-Minh-Pfad gezeigt, der weit verzweigte Versorgungsweg der Vietcong, der von Nordvietnam über Laos und Kambodscha in den Süden führte und die Truppen hier mit Waffen und Nahrung zu versorgen und die Eroberung Saigons und damit Südvietnams zu ermöglichen.


Der Vietnam-Krieg

Die Ursprünge des Krieges liegen noch in der Kolonialzeit, als Vietnam Teil von Französisch-Indochina war. Nach dem Zweiten Weltkrieg strebte die kommunistische Widerstandsbewegung Viet Minh unter Ho Chi Minh die Unabhängigkeit an und besiegte 1954 die französischen Truppen in der Schlacht von Điện Biên Phủ. In der Folge wurde Vietnam auf der Genfer Konferenz vorübergehend geteilt: Nordvietnam wurde kommunistisch unter Ho Chi Minh, Südvietnam pro-westlich unter Ngo Dinh Diem.

Ab 1955 eskalierte der Konflikt, als die USA begannen, Südvietnam militärisch und finanziell zu unterstützen, um die Ausbreitung des Kommunismus zu verhindern. Der Vietcong, eine kommunistische Guerillabewegung im Süden, verstärkte seine Angriffe. 1964 führte der Tonkin-Zwischenfall zur offiziellen Kriegsteilnahme der USA, die in den folgenden Jahren bis zu 500.000 Soldaten nach Vietnam entsandten.

Zwischen 1965 und 1968 erreichte der Krieg seinen Höhepunkt. Die USA setzten massive Luftangriffe, Napalm und das Entlaubungsmittel Agent Orange ein.

Die Tet-Offensive 1968, eine groß angelegte Offensive Nordvietnams, erschütterte das Vertrauen der US-Bevölkerung in einen Sieg und leitete einen politischen Wendepunkt ein.

Ab 1969 begann die sogenannte „Vietnamisierung“, bei der die USA sich schrittweise zurückzogen und Südvietnam die Verantwortung für den Krieg übernahmen. 1973 wurde ein Waffenstillstand vereinbart, und die letzten US-Kampftruppen verließen das Land. Dennoch setzte Nordvietnam seinen Vormarsch fort und eroberte 1975 Saigon, womit der Krieg endete und Vietnam unter kommunistischer Führung wiedervereinigt wurde.

Der Vietnamkrieg forderte über drei Millionen Menschenleben, hinterließ tiefe gesellschaftliche und ökologische Spuren und führte zu einem grundlegenden Wandel in der US-Außenpolitik. Vietnam wurde 1976 offiziell zur Sozialistischen Republik Vietnam erklärt.


Von den Củ Chi Tunneln aus organisierten die Vietcong ihren Guerilla-Krieg gegen die Amerikaner. Das Tunnelsystem war über Kilometer verzweigt. Es gab alle Einrichtungen wie Küchen, Schlafräume, Waffenkammern, sogar Bars, Schulen und Tempel. Die Tunnelröhren wurden durch Fallen (Booby-Traps) geschützt, die unwissende amerikanische GIs auslösten wenn sie mal einen der winzigen versteckten Eingänge fanden und erkundeten.

Der Guide erklärt das alles noch mal an eine Karte und einem Modelquerschnitt von Tunneln. Dann führt er uns raus und über die Straße in den Wald, wo wir noch von einem Soldaten begleitet werden. Der Wald besteht aus jungen Bäumen, Bambus und eine Art Espen.

Der Guide erklärt uns, dass all die Krater von Bombeneinschlägen herrührten, denn die Amerikaner bombardierten Cu Chi mit allem was sie hatten, Cluster-Bomben, die viele kleine Explosionen verursachen, Fünfhundertkilo-Bomben, die tiefe Krater reißen, Agent-Orange-Bomben, die Pflanzen entlauben und nach einiger Zeit ganz zerstören, was allerdings genauso für alle Lebewesen gilt, die irgendwie in Kontakt damit geraten. Und das geschieht auch heute noch durch verseuchtes Grundwasser. Napalm-Bomben verbrannten schließlich alles, was durch alles vorherige noch nicht unschädlich gemacht worden war. Insgesamt fielen auf Vietnam mehr Bomben als auf alle Länder Europas während des Zweiten Weltkrieges zusammen.



Auf Vietnam fielen mehr Bomben, als auf alle Länder Europas während des Zweiten Weltkriegs!


Die so genannte Agent Orange Chemikalie ist noch immer in der Erde zu finden und verursacht in den neuen Generationen immer wieder die fürchterlichsten Missbildungen. Man pflanzt mittlerweile dagegen Eukalyptusbäume, die diesen Stoff recht gut aus dem Boden ziehen können.

Wir halten inne, und nahezu aus dem Nichts öffnet unser Guide eine kleine Falltür im Boden, die gerade mal zwanzig zu dreißig Zentimetern misst. Dies ist einer der Eingänge zu den Tunneln.

Jane und Becks versuchen ihr Glück und zwängen sich herein. Dann probiere es auch ich, aber ich bin um einiges größer als die beiden und es braucht einige Akrobatik, bis auch ich in dem Loch verschwinde. Doch mich so klein zu machen um dort noch einem Gang zu folgen schaffe ich nicht. Immerhin komme ich im Gegensatz zu den Mädchen aus eigener Kraft aus dem Loch wieder heraus.



Immer wieder sehen wir Gräben, die den Vietcong Deckung boten und kleine Eingänge darin.

Im Wald ist schließlich eine Hütte aufgebaut, in der alle Arten von Fallen gezeigt werden, in die ein amerikanischer GI tappen konnte. Die so genannten Booby-Traps waren Löcher in der Erde, die simpelsten mit gespitzten Bambusstangen am Boden. Komplexere Fallen sind Räder mit Dornen, auf die man zuerst tritt, sich um ihre Achse drehen und einen nochmals am Kopf erwischen, wenn man zum Grund der Falle gestürzt ist. Ganze Räderwerke aus Spitzen malträtieren ihre Opfer, denn es geht nicht darum diese zu töten, sondern ihnen so schwere Wunden zuzufügen oder sie zu verkrüppeln, so dass sie im Krieg wehrlos sind oder infolge von Infektionen sterben.

Der kranken Phantasie der Menschen sind wirklich keine Grenzen gesetzt, wenn es um das Erfinden zum Töten anderer Menschen geht. Besorgt frage ich unseren Führer nur noch, ob man mit Sicherheit auch wirklich alle dieser Fallen wieder gefunden hat.

Wir kommen an einem alten verwitterten Panzerwrack vorbei und hören schon in naher Entfernung Schüsse. Es gibt hier einen Schiesstand, an dem man mit den Waffen des Krieges schießen kann. Eine Patrone für einen Dollar. Ich möchte die Erfahrung machen und schieße mit einer M-16, dem „bewährten“ amerikanischen Maschinengewehr. Zum Glück gibt es Ohrenschützer, denn die Schüsse sind extrem laut. Dann kann ich auch eine AK-47 „Kalaschnikow“ testen. Der Rückstoß haut mich fast um.



In einer Hütte zeigen ein paar elektrisch betriebene Puppen andeutungsweise die Vietcong (was einfach nur die Bezeichnung für „Kommunistische Vietnamesen“ ist) bei der Herstellung von Granaten und Minen, in dem sie gebrauchte Hülsen oder nicht explodierte Bomben wiederverwerten. Um Panzer zu zerstören stürzten sich früher Männer und Frauen mit Klebeminen selbstmörderisch auf die Fahrzeuge, denn meist konnten sie nicht rechtzeitig der Explosion entgehen. Sie werden als Nationalhelden gefeiert.

Weiter im Wald gibt es Eingänge zu Höhlen, und der Guide lädt uns ein doch mal ein paar hundert Meter mitzukriechen. Wir Jungs und Jane probieren es. Nachdem wir ein paar Meter über Stufen in die Tiefe geklettert sind finden wir einen kleinen Gang, der weiter führt. Er ist höchstens einen Meter breit und hoch und nur anfangs beleuchtet, dann setzt das Licht aus. Die Luft ist schwül und stickig und droht einem den Atem abzuschnüren. Man kann nur auf den Knien langsam den Gang entlang kriechen, dessen Richtung man mit den Händen ertastet. In mir steigt Panik hoch, die ich nicht kenne, das erste klaustrophobische Gefühl meines Lebens. Ich versuche die Panik zu unterdrücken. Hinter mir scheinen alle, wer auch immer da war umgedreht zu haben, jedenfalls ist aus der Richtung nichts mehr zu hören. Vor mir scheinen alle schon weit entfernt. Der Boden ist weich und feucht. Und alles rundherum stockdunkel. Meine Ellenbogen und mein Kopf bestätigen mir immer wieder, wie eng es ist. Mein Atem geht nun rasend und ich will hier so schnell wie möglich raus.

Es ist mittlerweile knapp Mittag und drückend heiß. Der Schweiß rennt mir von der Stirn als stände ich unter einer Dusche. Wir setzen uns unter ein Dach und der Guide teilt nach Kastanien schmeckenden Tee aus und reicht dazu eine klebrige und trockene Art von Gemüse. Richtig nervig werden nun die Moskitos, die sich zu dutzenden auf uns werfen. Mein Mückenmittel habe ich im Hotel vergessen aber Becks hilft mir aus. Das beeindruckt die Mücken jedoch nicht im Geringsten, und mein Schweiß wäscht den Schutz geradewegs wieder ab. Meine Arme überzieht eine klebende Wasserschicht, an meinem Kinn perlt gleichmäßig das Wasser ab. So etwas habe ich noch nicht erlebt, denn so heiß kommt es mir gar nicht vor, es ist nur abgrundtief schwül.

Ich nutze den erstbesten abzweigenden Gang und finde einen Schimmer Licht, dem ich schnell entgegenkraule. An der Oberfläche finde ich meine Freunde wieder. Es sind alle da, bis auf Glen. Er kommt nach ein paar Minuten auch aus dem Loch und beschwert sich ebenfalls, dass alle fort waren.

Als letztes sehen wir noch ein paar kleine versteckte Bambusrohre, durch welche die Gänge belüftet werden, und eine Art Kamin im Boden, durch den unauffällig der Rauch der Küchen abzieht, bevor wir an ein paar Souvenirläden wieder zurück zum Bus kommen. Dort legt sich mein Schweißausbruch auch wieder. Vorbei an den Kautschukplantagen geht es wieder zurück in die Ho Chi Minh Stadt.


Der Besuch der Tunnel war ein Erlebnis, das mir wieder den Irrsinn und die katastrophalen Folgen eines Krieges auf einem neuen Level vor Augen geführt hat.


Schau dir mehr von meiner jugendlichen Rucksackreise durch Indochina an!

Eine erste Rucksack-Reise Erfahrung in Südostasien

2004 🇹🇭 🇱🇦 🇻🇳 🇰🇭



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