Tagebuch Eintrag
Wir sind in Kuba, sitzen am Strand mit Zigarren und einem karamell-braunen Havana Club Añejo Especial auf Eis. Während uns der warme Wind vom Meer die Haut vom Salzwasser trocknet erinnern wir uns an die beschwerliche Anreise in Deutschland, die sich für meinen Freund Uwe, meinen Bruder Hans-Christian und mich nicht so einfach herausstellte. Wenn man in Deutschland zum Flughafen fährt und dem Auto mitten auf der Fahrt plötzlich der Motor stirbt kann man das nur für einen schlechten Film halten.
Zum Glück war das kurz vor Koblenz und damit nahe Hans Wohnsitz und seinem Auto, sodass er uns einsammeln wir wir gemeinsam noch rechtzeitig zum Frankfurter Flughafen kommen konnten. Der ADAC trifft zwar ein, stellt aber eine defekte Ölleitung fest und kann nicht tun. Wir konnten Uwes Wagen immerhin auf einem P&R Platz abstellen, wo er niemanden stört. Zwar wird sich während unserer Reise noch die Polizei seines Wagens annehmen, aber davon bekommen wir in der Karibik nichts mit.
Ungünstig ist ebenfalls, wenn man keine Tarjeta del Turista hat, weil man das laut dem Internet angeblich leicht an Flughafen bekommen kann, aber plötzlich gar nicht mehr so viel Zeit ist, das dort aufzutreiben. Und dann nach Verspätung des Fluges in Kuba auch noch das Gepäck nicht angekommen und der Typ nicht da ist, der uns zu unserer Casa Particular, die hier gängigen Pensionen, bringen wollte.
Aber egal, hat alles geklappt. Für uns klingelt man auch nachts noch Leute raus, die uns ein Abendessen machen.
Der erste Eindruck beim Eintreffen im nächtlichen Havanna sitzt tief: in welches Kriegsgebiet hat man uns denn gebracht? Der Taxifahrer quasselt fröhlich und ohne Pause auf mich ein und lässt seinen Fluss nur durch Kommentare von mir in Richtungen lenken. Das Leben in Kuba sei schön, aber sehr schwierig. Alles zerfällt und man wird ständig überwacht. Ersteres bestätigt sich offensichtlich. Wir fahren mit hoher Geschwindigkeit durch Stadtteile, die nicht besser dran sind als das Forum Romanum; es ist stockdunkel, da es keine Beleuchtung gibt, und auf der Straße tauchen plötzlich Leute oder Schlaglöcher in der Größe von mittleren Meteoritenkratern auf. Der Gegenverkehr wird zur Gefahr, da dieser selbst diesen Hindernissen auszuweichen muss.
Der schon siebzig Jahre alt aussehende Marcinello bestätigt mir, dass das Leben als Taxifahrer in La Habana, wie die Stadt im Original heißt, sehr gefährlich ist. Links und rechts von uns rauschen im Dunklen Ruinen an unseren Fenstern vorbei und ganze Straßenzüge sind gesperrt, da Häuser auf die Straße zu stürzen drohen.
Trotzdem sind hier massenhaft Leute im Dunkeln auf den Straßen unterwegs. Junge Männer und Frauen gammeln an Häuserecken und treffen sich; viele Frauen suchen auch schnelles Einkommen für zwischendurch. Das Geschäft scheint gut zu gehen; wir beobachten einige Autos, die halten.
Der Taxifahrer allerdings hat nicht wirklich eine Ahnung davon, wo er hin muss und fährt immer wieder um den selben Block herum und fragt Leute, die auch keine Ahnung haben. Zwischen Trümmerhaufen und gegenüber eines Hauses, deren Einwohner auf der Straße sitzend uns neugierig beobachten, kommen wir in unserer Casa Particular an. Von außen macht das Haus einen ähnlich schäbigen Eindruck wie dir Ruinen drumherum. Von innen stellt sie sich jedoch als kolonialer Palast heraus.
Casa Particular
In Cuba lebt der Kommunismus wie in keinem anderen Land. Um sich selbst etwas dazuzuverdienen gibt es für den Kubaner nicht viele Möglichkeiten. Eine davon ist maximal zwei Zimmer in seinem Zuhause an Gäste zu vermieten. Daher ergibt sich das „geteilte Haus – casa particular“. Von dieser Möglichkeit machen viele Kubaner Gebrauch. Sie stecken viel Geld in die Ausschmückung ihrer Heime und beherbergen mit Vorliebe Ausländer. Einheimische könnten sich die Preise niemals leisten. Doch für uns sind die Preise immer noch extrem günstig. Mit 10 – 15€/Person muss man rechnen und bekommt dadurch den Vorzug direkt bei Kubanern zuhause zu wohnen, am Leben der Menschen teilhaben zu können, fürstlich zu wohnen und auch lokales Essen zu bekommen. Es handelt sich um nichts anderes als eine Art Bed&Breakfast. Es gibt für die Kubaner nur drei Probleme:
1) Es gibt kein Internet im Land, sodass sie ihre Unterkünfte nicht über das Netz anbieten könnten.
2) Wegen der Sanktionen kommen nicht viele Touristen ins Land und jegliche Innovationen, wie z.B. Klimaanlagen, sind schwer zu besorge.
3) Nicht viele Touristen wagen es individuell durch das Land zu reisen. Mietwagen gibt es kaum und der öffentliche Nahverkehr ist so schlecht wie der Zustand der Straßen. Die meisten Touristen buchen ihre Reise und bleiben in staatlich geführten Hotels oder in den Pauschaltourismus-Burgen auf den abgetrennten Halbinseln.
Von gefühlt 20 Hähnen werden wir in einer Dauerschleife geweckt. Und werden von einem Frühstück auf der Dachterrasse der Pension belohnt. Ganz Havanna liegt uns zu Füßen. Zur Linken liegt das bekannte Kapitol, welches das Stadtbild entscheidend prägt.
Uns gegenüber haben wir den Hafen. Und dazwischen blicken wir auf das Häusermeer der Hauptstadt, während wir Früchte vorgesetzt bekommen, von denen wir zumindest die Papayas identifizieren können.
Die Kubaner sind entspannt, das wissen wir. Auch der Alltag fängt hier später an. Erst ab 10 Uhr ist auf den Straßen etwas los. Aber selbst abends ist ab 12 auch schon Schicht im Schacht. Wir werfen uns ins Treiben der Altstadt. Bei Licht sieht alles viel freundlicher aus, vor allem die bunten Häuser uns alten Autos. Trotzdem gibt es auch in den Reihen der restaurierten Kolonialhäuser viele eingestürzte Bauten in den Reihen. Wir erkennen sofort Havanna aus den Klischeebildern wieder:
die alten halb zerfallenden Prachtbauten der spanischen Kolonialzeit, der Trubel auf den Straßen, kleine Gruppen von Señores, die am Straßenrand ihre Zigarre qualmen und natürlich die Oldtimer. Davon fahren hier wirklich viele herum. Manche wurden mit viel Liebe hergerichtet und poliert, manche werden jedoch nur noch mit Klebeband und Farbe zusammengehalten. In der Stadt riecht es vor allem nach zwei Dingen: Staub und Abgasen.
Irgendwo um uns herum befinden sich die Brüder Fidel und Raoul Castro, die immer noch die Regierungsgeschäfte in Kuba leiten. Im Gegensatz zu ihrem legendär gewordenen Freund Che Guevara konnten die USA diese beiden nie in die Finger bekommen
und sich an ihnen für die internationale Blamage der vereitelten amerikanischen Invasion in der „Schweinebucht“ 1961 und der „Kuba Krise“ von 1962 rächen. Der Geist der Revolición von 1953 – 59 ist überall noch immer gegenwärtig.
Interessant zu sehen ist im Stadtbild auch die häufigen Ausgabestellen für Bedarfsmittel. Hier holen sich die Menschen ihre Rationen Lebensmittel ab und es gibt immer lange Schlangen. Leute grüßen uns und schnell ergeben sich Gespräche. Wir sind zuerst skeptisch, weil wir erwarten, dass man uns etwas verkaufen will; doch die meisten Kubaner sind einfach nur am Quatschen interessiert, denn oft kommen sie nicht mit ausländischen Besuchern in Kontakt.
Es gibt wenige Individualreisende, wenige Besucher, die sich in die Seitenstraßen wagen oder wenige Ausländer, die Spanisch sprechen.
Es dauerte keine Stunde auf der Straße und wir sitzen mit einem Kubaner bei Mojito und Zigarre zusammen. Er heißt Miguel und wir tauschen unsere Geschichten aus. Da ich der einzige von uns Dreien bin, der Spanisch spricht, übersetze ich stetig hin und her.
Miguel ist Musiklehrer und unterrichtet diverse Instrumente. Er empfiehlt uns auch den Besuch des Konzertes des berühmten Buena Vista Social Clubs.
Die Mitglieder sind zwar hauptsächlich Freunde oder Kinder der ursprünglichen Besetzung, doch das tut unserer Begeisterung keinen Abbruch.
Das Konzert findet im Kulturhaus Havannas statt und bietet eine perfekte Kulisse für die typischen kubanischen Klänge. Besser könnten wir nicht die Atmosphäre des Landes fühlen. Danach bummeln wir durch die Straßen, immer mit der Vorsicht im Dunkeln nicht in ein Loch zu fallen.
In den Straßen ist viel los, aus den Bars kommt die Musik der Live Bands und die Menschen tanzen auf den Straßen Salsa.
Pünktlichkeit
Die Kubaner haben ihre eigene Uhr. Wir machen Verabredungen aus und niemand ist pünktlich. Wenn man wartet bekommt man zu hören „noch 20 Minuten“ … Und wartet eine Stunde. Komischerweise sind Kubaner sehr erstaunt, wenn jemand anderes etwas zu spät ist. Wir gewöhnen uns nun an das obligatorische Delta T und nennen jegliche Zeit, ob 20 Minuten oder 2 Stunden, die „Hora Cubana„: die „Stunde in kubanischer Zeit“, die beliebig lang sein und in der alles passieren kann.
Wir verbringen drei Tage in Havanna und es wird nicht langweilig. Wir erkunden die Altstadt, die Bars und spazieren die große Allee Paseo de Martí bis zum Malecón, der Uferpromenade. Der Wind peitscht die See gegen die Mauern und auf der gegenüberliegenden Seite thront die Festung Castillo De Los Tres Reyes Del Morro. Dem Klischee entsprend gibt es auch überall Rum zu kaufen. Der berühmte Havana Club wird hier produziert und exportiert.
Im Gegensatz zu Bacardi lässt sich der Rum auch pur genießen und wird neben kleineren lokalen Marken ebenfalls von den Einheimischen geschätzt. Wir decken uns sofort mit einer Flasche besonderem Havana Club Añejo Especial ein. Der kostet etwas mehr als der populäre Dreijährige, sieht aber mit seiner goldbraunen Farbe leckerer aus.
Wir kommen wieder schnell mit Leuten ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass wir die Herzen der Kubaner dadurch besonders gewinnen, indem wir diesen für sie unerschwinglichen Rum mit ihnen teilen.
Am Malecón machen wir es und mit der Flasche gemütlich und genießen es in Kuba zu sein.
Auch wir müssen natürlich auch einmal mit einem Oldtimer durch die Straßen von La Habana gefahren sein. Wir nehmen uns ein altes Cabrio und lassen uns bis zum Castillo bringen, wo wir noch nicht waren.
Der Fahrer tut uns leid, denn er trägt eine Brille, deren Glas gesprungen und provisorisch mit Klebeband repariert worden ist.
Wie alle Kubaner, die wir kennenlernen, erweist sich auch unser Gastgeber Hektor sich als ungläubig hilfsbereit. Er muss wegen unseres Gepäcks viele Gespräche mit dem Flughafen führen. Ebenfalls hilft er uns bei der Suche nach einem Transportmittel. Es gibt kaum Mietwagen in dem Land.
Wegen der Sanktionen ist es kaum möglich Autos zu importieren und die wenigen modernen Fahrzeuge, die in Kuba existieren, werden von Hotels an ihre Gäste vergeben oder sind Monate im voraus gebucht. Ich sah mich im Voraus im Internet um und konnte nicht fündig werden.
Ich dachte mir, dass Kubaner unglaublich innovativ sind ihr Leben im Kommunismus und in der Mangelwirtschaft zu organisieren.
Wäre es nicht interessant einfach Leute auf der Straße zu fragen, ob sie nicht durch das Chauffieren von ein paar Touristen etwas Geld dazuverdienen möchten? Wir lassen es auf das Experiment ankommen.
Sowohl durch Hektor als auch durch das Fragen von Leuten auf der Straße werden wir tatsächlich schnell fündig und finden Leute, die uns fahren würden. Die Leute können ihren Ohren nicht trauen, als ich sage, dass wir zwei Wochen – und nicht zwei Tage – mit ihnen durch Kuba reisen wollen. Es folgt ein Nachmittag aus zähen Verhandlungen mit Hektors Freund Adalberto; ich bin stolz, dass es trotz meinem gebrochenen Spanisch gut verläuft. Wir einigen uns auf einen Pauschalpreis pro Tag sowie die Route und beschließen den Aufbruch am nächsten Morgen.
Nach dem Krähen des Hahnes, einem letzten Frühstück von Hektor auf unserer geliebten Dachterrasse sowie der obligatorische Hora Cubana beginnen wir eine spannende, abwechslungsreiche und authentische Reise auf den Spuren von Karibik und der Revolución.